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Fashion Week Berlin

„Fashion is what one wears oneself.
What is unfashionable is what other people wear.“

(Oscar Wilde)

Die Modewoche in Berlin „ist eher Prenzlauer Berg geworden denn Paris, weniger Mailand als Moabit“, ätzte zu Beginn der Woche ein Hamburger Nachrichtenmagzin. Das ist in Ordnung, denn Häme ist der Stoff aus dem Hamburger Nachrichtenmagazine geschneidert sind. Mich hat es ohnehin nur in das Festzelt auf dem Bebelplatz verschlagen, um einen einzigen Blick zu erhaschen: den des Ekels im Gesicht des gestylten Garderobenfräuleins bei der Entgegennahme meiner Winterjacke aus der vorletzten Kollektion eines schwedischen Bekleidungshauses. Dafür lohnt es sich schon fast, dieses Event zu besuchen.

Aber auch die kleinen Häppchen, von denen es reichlich gibt, weil Nahrungsaufnahme in Modekreisen nach wie vor nicht sonderlich akzeptiert zu sein scheint, sind nicht zu verachten. Als verachtenswert hingegen empfinde ich indes den Konsens, Currywürste aus der Küche von Luxushotels für vier Euro fünfzig zu verkaufen und dies als ironisches Stilmittel zu betrachten. Viellleicht ist die Bratwurst aber auch nur der würdige Nachfolger der Heroin-Chics der 90er Jahre, denn nur besonders extravagante Besucher der Veranstaltung wagen es, eine solche Wurst zu sich zu nehmen. Nach einiger Überlegung erachte ich den Verkaufspreis als angemessen, denn wo bekommt man auf einer Modeveranstaltung schon einen Distinktionsgewinn für weniger als einen Heiermann? Sogleich stellt sich mir die Frage, ob es auf der Toilette wohl – wie im Braukeller der bayerischen Landesvertretung in der Hauptstadt üblich – einen sogenannten Papst, ein Speibecken mit Armstützen, gebe.  Ein bißchen enttäuscht, dass mein Klischee nicht bestätigt wird, aber auch beruhigt, dass der Trend womöglich doch weg vom bulimischen Magermodel geht, stelle ich auf der Herrentoilette fest, dass diese Art der wassergespülten Sanitärinstallation dort nicht vorhanden ist. (Ob dies auf den Damentoiletten ebenso der Fall ist, kann ich freilich nicht beurteilen.)

Kern der Veranstaltung ist das betont lässige Herumstehen im Vorzelt bei gleichzeitigem intensiven Argusbeäuge der bekleidungtragenden Mitmenschen. Dieses wird zum Leidwesen aller jedoch durch gelegentlich stattfindende Modeschauen unterbrochen. Zum Glück sind diese jedoch zumeist sehr kompakt gehalten: Blitzlichtgewitter für die Zweitplazierte aus der Castingshow Germany’s next Topmodel (alternativ: zukünftige Ex-Ehefrau eines vormaligen Tennisprofis) – zehnminütiges graziöses Auf- und Abschreiten des sogenannten Laufstegs, der sich in der Höhe allerdings nicht vom Erdboden absetzt, durch sogenannte Models – Verbeugung durch und Blumen für den Designer. Alle klatschen entzückt in ihre manikürten Hände und sind im Grunde froh, sich wieder ihren Mineralwassern im Vorzelt zuwenden zu dürfen.

Noch während man den letzten Schluck aus seiner Flasche nimmt, wird das Festzelt bereits wieder demontiert. Ich gehe nach Hause mit dem unter orthopädisch beunruhigendem Ausblick, dass die Damen in der kommenden Saison Trauerkleidung zu obszön hochhackigen Schuhen tragen werden. All das wäre nicht weiter schlimm, wenn die Protagonisten des Modezirkus ebenediesen nicht so furchtbar ernst nähmen.

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