Spannungsbogen

Volvo Amazon
Platt.

Gewöhnlich passiert ja nicht viel im Leben. Und dann plötzlich ist die Aufregung die allergrößte. Schon einen Moment später entlädt sich alles. – Was eben noch Anspannung bedeutete, verläuft im Ungefähren. Alles plätschert wieder vor sich hin. Stille. Täglich hielte man das nicht aus. Wie das wohl Gehirnchirurgen oder Busfahrer schaffen?

Keith Jarrett

Das Auditorium darf nicht rascheln, nicht fotografieren und nicht in den letzten Akkord klatschen. Demut ist angesagt und Dankbarkeit für Momente, die nicht reproduzierbar sind. Keith Jarrett ist kapriziös. Aber das ist in Ordnung, schließlich ist er ein Genie. Aus dem Nichts heraus verdichtet er die musikalische Idee zu einem Werk, das danach in sich zerfällt. Das kann in Bremen oder Lausanne stattfinden, in Köln, Paris, Wien, Mailand oder Tokio. Nur selten, wenn es aufgezeichnet wird, können wir teilhaben. Tausendmal gehörte Songs nimmt er auseinander und setzt sie harmonisch neu zusammen. Standards können wir nur noch ertragen, wenn er am Klavier sitzt. Dabei verzerrt er das Gesicht, gibt Grunzlaute von sich und stöhnt und leidet. Man sieht dem Meister die Anstrengung an. Jeder Ton ist wie eine Geburt. Es ist schwer, ihm dabei zuzusehen. Man muss die Augen schließen. Immer spielt er, als sei es das letzte Mal. Und das könnte ja auch sein.

Unten und oben

Treppenhaus
Von unten.

Unten stehend sehnt man sich nach dem, was oben ist.

Treppenhaus
Von oben.

Oben angekommen muss man feststellen, dass es dort auch nicht besser ist.

West-Berlin

Über den Dächern Berlins, Hotel Sylter Hof

Kurz innehalten und den Blick schweifen lassen, ein paar Sekunden. Wie häßlich dieses West-Berlin doch ist. Ein absurder Gedanke an George Clooney, wie er in The American mit der größten Präzision sein Gewehr zusammenschraubt. Der Gedanke verflüchtigt sich, als ich im Haus gegenüber eine Frau erkenne. Das Kissen auf ihrer Fensterbank dient ihr als Stütze, sie starrt ins Leere. Noch in den sechziger Jahren war das Ausdemfensterschauen eine der liebsten Freitzeitbeschäftigungen der Deutschen. Die Zeit scheint stehengeblieben zu sein.

„Und?“, fragt mich die Hotelmanagerin erwartungsvoll. „Landschaftlich wunderschön.“