John Scofield: Someone To Watch Over Me

John Scofield konnte einem mit seinen sechs Seiten in den vergangen Jahrzehnten gewaltig auf die Nerven gehen. In der gemeinsamen Zeit mit Miles Davis klangen beide oft, als würden sie nach Öl bohren. Doch das ist vorbei.

Angekommen, ganz bei sich, wie er da steht, und die Gershwin-Ballade spielt. Alle Musiker mit geschlossenen Augen. Steve Swallows Bass wärmt die gesamte kommunale Stadthalle, Schlagwerker Bill Stewart kämpft mehr mit den Tränen als mit dem Rhythmus. Ein großer Jazz-Moment in Leverkusen im November 2010. Man muss es immer und immer wieder anschauen. Und vor allem hören.

Hamburger Dom, Konträrfaszination

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Hamburger Dom, größtes Volksfest des Nordens, so die Veranstalter. Auf jeden Fall aber das häufigste: Frühling, Sommer und Winter. Gefühlt immer. Zuckerwatte, Riesenrad, Liebesapfel, Wilde Maus usw. Dazu aus Carmens Nebel ertönend in der Endlosschleife der Soundtrack des Ballermanns. Wer sind die Millionen, die hier für Sekunden ihr Glück zu finden versuchen?

Dennoch ein guter Ort. Jedenfalls morgens, bevor alles blinkt, wenn die jungen Männer zum Mitreisen noch schlafen. Alles so schön trist hier. Hamburger Dom, Konträrfaszination. Kann man hingehen, antizyklisch.

Ja, Panik auf Kampnagel 11.08.2014

Ja, Panik

Kampnagel Sommerfestival, ein kleinerer Raum. Die Gästeliste dünner als ein Telefonbuch, im Publikum Hornbrillen und Jutebeutel. Beim Vorprogramm erst etwas peinlich berührt sein, als da eine junge Frau zum Halbplayback etwas ungelenk tanzt. Das durfte früher nur Jochen Distelmeyer, wenn er zu 1000 Tränen tief an seiner Zigarette zog. Nach ein paar Songs jedoch fängt man ungewollt an, Sophia Kennedy und ihren plüschigen, von Erobique produzierten Disco-Pop ganz gut zu finden. Die Weintrinker an den Stehtischen beginnen zaghaft mit dem Bein zu wippen. Sie tanzt, saugt an ihrer Wasserflasche, spielt auf zwei Blockflöten gleichzeitig. Zu gern hätte man ihr noch eine Weile zugehört.

Umbaupause, Flasche Beck’s zu teuer, fahrstuhlartige Pausenmusik. Schlimm. Test Nebelmaschine. Funktioniert leider. Dann ein nicht endenwollendes Intro vom Band. Wo wir nicht sind, woll’n wir nicht hin. Ein Satz, der sich von selber singt. Ja, Panik sind stark auf der Bühne. Viel besser als im Studio. Kurze Ansagen, lange Gitarrensoli, Krachen, Rückkoppunlungen. Ja, Panik sind eine gute Liveband. Hätte man so gar nicht erwartet, wenn man nur ihre Studioalben kennt. Rocken können sie schon.

Andreas Spechtl ist so dünn, dass droht unter der Last seiner Gitarre zusammenzubrechen. Man möchte ihn füttern. Erfreulicherweise keine Antikapitalismuskritik zwischen den Songs, nur die Marken der Musikinstrumentehersteller sind abgeklebt. Viele neue Songs, keine alten Hits. Muss ja auch nicht und wiener Schmäh hilft, wenn man mal den Einsatz verpasst. Nach zwei Zugaben ist es gefühlt auch schon zu schnell vorbei. Applaus, der mitsingende Luftschlagzeugspieler neben mir wünscht sich lautstark sein Lieblingslied Nevermind. Das Licht machen sie nicht an, aber eine weitere Zugabe wollen sie auch nicht spielen. Sei’s drum. Es war gut und das reicht.

Im Abseits fangen Topjobs an. Fans von Falco und Tocotronic würden auch Ja, Panik mögen.


Das Kampnagel Sommerfestival dauert bis zum 24. August und wartet noch mit zahlreichen Highlights wie Andreas Dorau, Phantom/Ghost, Kid Koala, Die Sterne, Die Goldenen Zitronen u. v. a. m. auf. Toll.

Alltägliche Zettelbotschaft

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Nach dem Aufstehen auf dem Tisch einen Zettel mit einem stilisierten Herzen darauf finden. Früher hätte durchaus die Möglichkeit bestanden, auf diesem die bis dahin unbekannte Telefonnummer des Menschen, mit dem man zuvor die Nacht verbracht hat, vorzufinden. Heute stand dort lediglich: „Bitte Wäsche waschen!“

Das ist auch okay so, denn was nützt alle Romantik, wenn die Oberbekleidung nach Bratfett und Schweiß stinkt? Ihr müsst auch mal wieder mit in den Alltag kommen.