Betriebsbahnhof

Straßenbahn-Betriebsbahnhof

In die Straßenbahn des Todes,
die heulend sich zum Stadtrand quält,
werd ich mich klaustrophobisch zwängen,
weil auch die kleine Geste zählt.

(Element of Crime)

In Gedanken und in der Tram sitzend höre ich aus dem Ohrenwinkel wie etwas aus den Lautsprechern gemurmelt wird: „Abweichende Linienführung und Schienenersatzverkehr“. Schließlich werde ich nicht – wie sonst üblich – unfreundlich aufgefordert, die Straßenbahn endhaltestellenankunftsbedingt zu verlassen. Für einen kurzen Moment klingt es tatsächlich ein bißchen, als hätte ich die Wahl. Je weiter sich jedoch der Zug von der Zivilisation entfernt, desto klarer wird, dass ich in der Falle sitze. Wo man landet, wenn man versäumt, bei Zeiten in den Bus umzusteigen: Auf irgendeinem verlassenen Betriebsbahnhof. Und von hier gibt es kein Zurück.

Warten auf Züge ist wie Arbeit

Drei Mal in den vergangenen Tagen nach vier Uhr ins Bett gegangen, zum Ausgleich heute vor vier Uhr aufgestanden. Es geht, wenn man muss.

Noch 20 Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges. Morgens, um fünf Uhr, wirkt der Berliner Hauptbahnhof wie frisch gebadet: Die Putzkolonnen haben ihre Arbeit bravourös gemeistert, kaum ein gehetzter Reisender ist jetzt schon unterwegs. Noch 15 Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges. Ich erwerbe eine Tageszeitung, es ist genug Zeit für ein Foto. Noch 10 Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges. Das Kaffeehaus H. Meins in der ersten Etage ist geschlossen, mein Körper verlangt jedoch nach einer Koffeinzufuhr. Lediglich die Niederlassung einer Großbäckerei bietet Heißgetränke aus gerösteten Bohnen an, welche jedoch mittels Vollautomaten zubereitet werden. Kaffeegenuss ist anders. Noch fünf Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges. Ich entscheide mich doch für den Kaffee, obwohl sein Weg in den Körper leider über den Gaumen anstatt direkt in die Vene führt. Noch zwei Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges. Wieder einmal bemerke ich, wie schlecht doch die Wege zu den Gleisen ausgeschildert sind. Es ist knapp. Noch eine Minute bis zur Abfahrt meines Zuges. Ich hetze die Rolltreppe hinunter, der Zug fährt bereits ein. Ich erreiche ihn – aber sehr, sehr knapp.

Erst Trödeln und dann Drängeln ist ja irgendwie auch so eine Unart. Warten auf Züge ist im Prinzip wie Arbeit: Je mehr Zeit man hat, desto mehr braucht man auch.