Provinz

Stets versuche ich, meine kleinstädtische Herkunft so gut es geht zu verbergen. Nicht nur, dass Gedanken an Kleinstädte in mir Beklemmungen auslösen, kratzen sie auch noch an meinem über Jahre mühsam aufgebautem Hanseatenimage. Dabei stammen die meisten Menschen, die ich kenne, leben sie nun heute in Berlin, Hamburg oder München, aus irgendeiner Art von Provinz. Gedanklich jedoch haben alle die Kleinstadt längst hinter sich gelassen. Auch ich kann nach einem halben Leben in der Urbanität sagen: Verdrängung findet statt, Verdrängung hilft, Verdrängung ist gut.

Manchmal ist es unvermeidbar und gewisse Umstände ziehen mich aufs Land. Das einzige, was noch schlimmer ist als Kleinstädte, sind Dörfer. An jeder Ecke riecht es verdächtig nach einer Mischung aus Schützenverein, freiwilliger Feuerwehr und Dung. Nach 18 Uhr kann man kein Bier mehr kaufen und schnelle Internetleitungen sind Mangelware. Kreuzen Bürgermeister, Pfarrer oder Landarzt den Weg, zieht man seinen Hut; das gehört sich so. Fremde werden mit Argwohn beäugt, sogenannte Fremdenzimmer indes sind in großen Mengen verfügbar. Natürlich sind alle Fremdenzimmer frei, wie es die Schilder in den unser-Dorf-soll-schöner-werden-Wettbewerbs-gepflegten Vorgärten verheißen, denn niemand will in einem Dorf seinen Urlaub verbringen. Abends trifft man sich bei Bier und Korn im Dorfkrug und morgens um fünf kräht der Hahn: tagein, tagaus. Bis auf den Tag, an dem Schützenfest ist – dann hängen überall bunte Wimpel und es gibt Blasmusik.

Ich muss in die Stadt. Sofort.


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