Betriebsbahnhof

Straßenbahn-Betriebsbahnhof

In die Straßenbahn des Todes,
die heulend sich zum Stadtrand quält,
werd ich mich klaustrophobisch zwängen,
weil auch die kleine Geste zählt.

(Element of Crime)

In Gedanken und in der Tram sitzend höre ich aus dem Ohrenwinkel wie etwas aus den Lautsprechern gemurmelt wird: „Abweichende Linienführung und Schienenersatzverkehr“. Schließlich werde ich nicht – wie sonst üblich – unfreundlich aufgefordert, die Straßenbahn endhaltestellenankunftsbedingt zu verlassen. Für einen kurzen Moment klingt es tatsächlich ein bißchen, als hätte ich die Wahl. Je weiter sich jedoch der Zug von der Zivilisation entfernt, desto klarer wird, dass ich in der Falle sitze. Wo man landet, wenn man versäumt, bei Zeiten in den Bus umzusteigen: Auf irgendeinem verlassenen Betriebsbahnhof. Und von hier gibt es kein Zurück.

M10

Die Heizung ist gebändigt und die Raumtemperatur ist mittlerweile konstant angenehm. Aber ich kann nicht immerzu nur im warmen Kämmerlein sitzen. Irgendwann muss man, also ich, auch mal raus: Arbeiten oder Kaffeetrinken – im Idealfall beides gleichzeitig. Der Schnee da draußen wird langsam zu Matsch, trotzdem ist es noch immer sehr kalt. Straßenabahn M10: Vormittags und Abends stehen die Menschen dicht gedrängt und riechen oft genau wie sie gestimmt sind: übel. Ein Paradies nur für Frotteure. Gäbe die BVG ihren Zügen Städtenamen wie die Lufthansa ihren Flugzeugen, könnten sie Sheffield oder Duisburg heißen. Wenigstens hier kann man beim rasanten Anfahren und Bremsen die Trägheit der Masse überlisten und wenigstens einmal im Leben standfest bleiben, denke ich, während ich im Augenwinkel eine gute Bekannte entdecke, die aber zwei Türen weiter steht, und auch deswegen für mich unerreichbar ist. An der Warschauer Straße bin ich froh, endlich aussteigen zu dürfen. Mein Bedürfnis nach menschlicher Nähe ist nur scheinbar für den Rest des Jahres gedeckt.