Kontrabassklarinette

Ein Mann bläst in ein Ungetüm. Es handelt sich um eine Kontrabassklarinette. Von diesem Instrument gibt es in Deutschland angeblich nur drei Exemplare. Heraus kommen Geräusche. Es klingt wie eine Mischung aus Nebelhorn und Didgeridoo. Kein Rhythmus, keine Melodie. Einfach nur Sound. Es ist weniger konzertante Aufführung, es ist eine Performance. – Hurz und Krawehl. (Es wundert wenig, dass dieses Holzblasinstrument es nicht mit der Popularität von Wandergitarren aufnehmen konnte.)

Wir befinden uns auf einer Ausstellungseröffnung in einem Autoladen in Berlin-Mitte: „Wovon Maschinen träumen“. Zu sehen sind ein lichtdurchflutetes waberndes Lattenrost, ein sprechendes Klavier, ein beleuchtetes Kleid und eine Kussmaschine etc. Alles ist Kunst und es gibt reichlich Schnittchen und Wein. Schnittchen und Wein sind das Wichtigste auf Vernissagen. Wenn eines von beiden aus ist, verlassen die Besucher den Ort. So auch wir.

Berlin-Mitte. Sorgfältig geschminkte Mädchen in Abendkleidern und hochhackigen Schuhen (und einige Jungs in ebendiesem Aufzug) stehen auf dem Kopfsteinpflaster vor der Kneipe, von der man nicht weiß, ob ihre Eröffnung oder Schließung zelebriert wird. Massenweise Menschen stehen auf der Straße herum, Autos haben es schwer, die Straße zu passieren. Wir sitzen auf den Treppenstufen des Eingangs der Kirche gegenüber und trinken Bier aus Flaschen. Es wäre alles gar nicht so schlimm, wenn all diese Leute nicht da wären.

Königlicher Grill

Was uns als Größenwahn erscheint,
ist nicht immer eine Geisteskrankheit.
Oft genug ist es nur die Maske eines Menschen,
der an sich verzweifelt.

(Arthur Schnitzler)

Königlicher Grill, Champagner als Aperitif, Berliner Größenwahn als Hauptgang. Dazu zartes Fleisch, Streichholzkartoffeln und Wein. „Capitalism kills love“ blinkt in großen Lettern an der Außenwand und es ist nicht einmal ironisch gemeint. Gut sichtbar am Eingang plaziert sitzen Stuckrad und Ulmen. Letzterer besucht auffällig oft die Toilette und geht dorthin stets eine auslandende Runde durch das gesamte Lokal. Gesehen werden und gesehen werden. Der Gedanke, dass sie dafür bezahlt werden. Das Schöne an Klischees ist, dass sie meistens stimmen. Wo ist eigentlich Uslar? Zum Abgang das Herrengedeck „Deutschboden“: Ein Buch, ein Bier, ein Korn. Eigentlich will man das alles hier ablehnen, aber dafür ist es leider zu gut.

___
Dieser Abend fand mit freundlicher Unterstützung von compuccino statt. Danke.

Exklusives PR-Event

Auf zwei Dinge fällt man im Leben immer wieder herein: Auf das Konzept der romantischen Liebe und auf Einladungen zu interessant klingenden PR-Veranstaltungen.

Die Kulisse über den Dächern der Hauptstadt ist gut gewählt. Anlässlich der Eröffnung einer Verkaufsplattform für elektronische Bücher eines Telekommunikationsunternehmens lesen ein Musikfernsehen-Moderator und ein Schauspieler einen Groschenkrimi von einem tragbaren Flachcomputer ab. Davor (zu Blitz und Donner) und in der Pause (im unzureichend klimatisierten Raum) spielen grobschlächtig wirkende, großflächig tätowierte Männer aus einem heruntergekommen Randbezirk akustischen Kuschelrock mit deutschsprachigen Texten.

Ich kenne niemanden, vermute jedoch einen hohen Anteil an Seifenoperndarstellern unter den exklusiv geladenen Gästen, und wundere mich ein wenig darüber, wie ich auf diese Art von Einladungsliste geraten bin. Eine Dame neben mir erzählt, dass sie Roland Emmerich kenne, während die andere übermäßig reichlich Lipgloss aufträgt. Es gibt gar nichts zu essen, aber dafür anfangs auch nur wenig zu trinken. Erst später entdecke ich die Bar, was den Getränkefluss erfreulich beschleunigt. Ein Buffet wäre Verschwendung, denke ich, da die meisten hier ohnehin niemals freiwillig feste Nahrung zu sich zu nehmen scheinen. Nur selten komme ich mit jemandem ins Gespräch, wobei die Frage „Und in welcher Vorabendserie spielst du so mit?“ meine Popularität auf diesem Event nicht nachhaltig zu steigern vermag.

Meistens verpasst man nichts, wenn man nicht dabei ist. Also meistens im Sinne von immer.

Karaoke

Mauerpark, Berlin-Prenzlauer Berg, 25.04.2010

Ich brauche keine Millionen,
mir fehlt kein Pfennig zum Glück.
Ich brauche weiter nichts als nur
Musik, Musik, Musik.

(Peter Kreuder)

Der Winter ist vorbei. Mit den ersten Sonnenstrahlen kehrt auch die sonntägliche Musik zurück in den Mauerpark. Joe Hatchiban bringt uns mit dem Fahrrad seine Bearpit Karaoke – eine schmächtige Soundanlage und den Klapprechner mit den Halbplaybacks.

Zufällig vorbeikommen und stehen bleiben oder sich einen der raren Sitzplätze suchen und von einem der fliegenden Händler ein warmes Bier erwerben. Auf der kleinen Bühne in der Mitte stehen Menschen aus aller Welt, um einmal vor Publikum ein Lied zu singen: überzeugte Selbstdarsteller, ausgebildete Opernsänger, kinderliedersingende Kinder, reiseführergeleitete Touristen, Patienten der Konfrontationstherpie, jugendliche Rockröhren und stimmschwache Tänzer. Das Publikum ist ein dankbares: jeder Sänger wird beklatscht und bejubelt, den Textunsicheren wird ausgeholfen.

Wie immer besteigt besteigt der ältere Herr im Mantel mit den zwei Plastiktüten in den Händen etwas ungelenk die Bühne und singt die deutsche Version von Frank Sinatras „My Way“: Das ist mein Leben. Wenn er mal nicht da ist, ist es nur halb so schön. Applaus! Zugabe.