Willy Brandt steuert den Schlitten

Marlis Vater war Willy Brandt und er steuerte den Schlitten. Natürlich, wie es sich für Willy Brandt gehört, nicht irgendeinen, sondern einen ganz besonderen. Der Schlitten bestand aus einem Ohrensessel, unter dem als Kufen Skier montiert waren. Dieser wurde von einem Pferd gezogen. Kein elegantes Dressurpferd, sondern wie es sich für einen Arbeiterführer gehört, ein eher rustikales Brauereipferd. Hinter dem Schlittensessel, und das war das besonders Tolle, wurden die Rodelschlitten der Kinder aus der Nachbarschaft mit dicken Seilen angebunden. Pferd, Ohrensessel mit Skiern, Rodelschlitten, Rodelschlitten, Rodelschlitten etc. So eine Fahrt war ein großer Spaß, damals, als Schnee im Winter noch etwas ganz Normales war.

Kurze Zeit später entdeckte ich zufällig Marlis Vater im Fernsehen. Es muss zu einer Zeit gewesen sein, als ihr Vater noch ein sehr aktiver Politiker gewesen war. Ich wunderte mich zwar, dass der Ohrensesselschlittenmann an prominenter Stelle über Dinge sprach, die ich nicht verstand, dachte aber fast 40 Jahre nicht mehr über diese Merkwürdigkeit nach.

Mit der allergrößten Wahrscheinlichkeit war Willy Brandt nicht der Vater von Marlis aus der Nachbarschaft. Aber er sah genau so aus. Und er hätte es sein können.

Izis

Im April fotografierten wir uns gegenseitig noch zum Spaß unter der überlebensgroßen Skulptur Willy Brandts. Dieses Mal durchschreite ich die hellen Ausstellungsräume der Parteizentrale allein: IzisParis des Rêves. Ich glaube, ich habe noch nie von Paris geträumt. Die mehr als 300 gezeigten Schwarz-Weiß-Fotografien aus Frankreich, England und Israel sind mir eine dankbare Zerstreuung. Poetischer Realismus.