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Editorial

Fieberträume

FieberthermometerIm Moment habe ich das Gefühl, für die globale Erwärmung weitestgehend allein verantwortlich zu sein. Nicht die Abgase der Porsche Cayennes der Reichen und Schönen, sondern ausschließlich die unablässige Wärmeabstrahlung meines Leibes scheint unsere Mutter Erde geradewegs in eine verheerende Klimakatastrophe zu treiben. Seit nunmehr drei Tagen hüte ich geplagt von Fieber das Bett und gebe dabei kontinuierlich Wärme an die Atmosphäre ab. Den winzigen Rest meiner noch nicht verdampften Aufmerksamkeit fokussiere ich in Ermangelung vergleichbar anspruchloser Aktivitäten auf die Unterhaltungsform, die heute landläufig als Unterschichtenfernsehen bezeichnet wird.

Barbara Salesch wird auch nicht jünger, denke ich. Täglich zu verhandelnde Vergewaltigungs- und Tötungsdelikte von 14jährigen, die dieser Altersgruppe im wahrsten Sinne des Wortes in Fleisch und Blut übergegangen sind, haben in ihrem Gesicht unvermeidliche Spuren hinterlassen. Weitergeschaltet zu Britts Frühnachmittagstalkshow muss ich feststellen, dass offensichtlich alle anderen Jugendlichen, die gerade nicht als Angeklagte vor der Amtsrichterin stehen, sich mit ihren Sexualpartnern vor laufender Kamera über den Nachweis von Vaterschaften streiten. Im Fließbandtempo verkündigt die blondgefärbte Moderatorin Ergebnisse von genetischen Analysen nach internationalen Standards und scheint hierfür mittlerweile die Kapazitäten eines gesamten Labors für ihre Sendung zu beanspruchen. Die etwas älteren Semester unter den Heranwachsenden lassen entweder mal wieder bei Big Brother die Hosen runter oder zeigen dem interessierten Publikum, wie sie ihre Liebsten mit selbstzusammengerührten und -erhitzten kulinarischen Köstlichkeiten betören, obwohl ihren Körpern auf den ersten Blick anzusehen ist, dass sie sich normalerweise überwiegend von Fastfood ernähren. Die noch Übriggebliebenen lassen währenddessen gerade ihre unlösbar erscheinenden Probleme von einer vertrauensvollen Psychologin an einem Stehtisch klären. Manche lassen auch von Privatsendern ihre Sozialwohnungen renovieren, was dann stets mit rosa- oder lindgrüngestrichenen Wänden endet, oder sie zeigen der Welt, wie sie mit Kind und Kegel in eine solche Behausung umziehen, die dann in der Regel allerdings noch nicht frisch gestrichen ist. Beim Umzug geht mehrheitlich alles glatt. Schließlich gibt es in den Haushalten, die hier vorgeführt werden, kaum Bücher, von denen man zu viele in eine wenig stabile Kiste packen könnte.

Wenigstens dürften ein paar Laiendarsteller dank des werbefinanzierten Fernsehens vorübergehend in Lohn und Brot gekommen sein. In meinen schlimmsten Fieberträumen sehe ich mich nach ein paar weiteren Tagen der Televisionsberieselung bereits als Problemfall hinter dem psychologeneigenen Stehtischchen stehen. Angesichts dieser Perspektive relativiert sich meine akute Sorge um den Klimawandel ein wenig.

Zum Glück handelt es sich bei der überwiegenden Zahl der TV-Schicksale um gestellte Szenen, die Millionen Zuschauer vor den Fernsehgeräten sind aber bedauerlicherweise echt. Jetzt schnell ein fiebersenkendes Medikament einnehmen und die alten Glühbirnen gegen Energiesparlampen austauschen …

7 Antworten auf „Fieberträume“

sei froh, dass dir der frauentausch entgangen ist. sonst würde dein fieber schon im märz den frühsommer einläuten. schon unter diesem gesichtspunkt muss man dir dringend gute besserung wünschen, bevor der fernseher aus der krankheit siechtum macht.

p.s.: der problemfall _hinter_ dem tischchen ist in der regel der psychologe…

Wenn man überlegt, dass wir, die wir uns nicht zur Unterschicht zählen, tagsüber arbeiten und diesen gebündelten Schwachsinn somit nur vom Hörensagen kennen, könnte man ja noch milde darüber hinwegsehen. Leider verstopft diese Art des Fernsehens immer mehr auch die Abendstunden, so dass wir, die wir immer noch nichts mit diesem geballten Schwachsinn anfangen können, entweder die Kiste ganz auslassen oder irgendwann ab 23.00 Uhr zu unserem Recht kommen. Nur hat die Sache einen Haken. Morgens müssen wir früh raus, haben also gar nicht die Zeit und Möglichkeit, ab 23.00 Uhr TTT und Co. zu sehen. Wir, die kaufkräftige Zuschauerzunft, werden also eigentlich ignoriert und die, die von der Stütze leben, sehen Sendungen, die sich über Werbung finanzieren, deren beworbene Produkte sich die Zielgruppe nicht wirklich leisten kann. Ist am Ende alles nur eine Blase, die irgendwann in sich zusammenplatzt?

Schön, dass Du die Grippe hinter Dich gebracht hast. Meine Frau und Tochter hatte es auch erwischt. Bis heute konnte ich mich standhaft gegen eine Ansteckung wehren. Die Grippewelle
ist aber noch auf dem Vormarsch in Deutschland. Nur Mecklenburg-Vorpommern hat es noch nicht richtig erreicht. Ist wohl zu windig an der Küste.

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