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Blümeranz

DruckverbandBlümerant ist ein so wunderschönes Wort. Es ist eine Eindeutschung aus dem Französischen und bedeutet soviel wie bleu mourant, also sterbendes (blasses) Blau. Umgangssprachlich bedeutet es flau, unwohl, übel (ein -es Gefühl; mir ist ganz b. [zumute]) und ist leider vom Aussterben bedroht. Alleine deswegen wollte ich schon immer einen Beitrag schreiben, in dem es vorkommt, leider fiel mir bisher kein passender Kontext ein.

Seit heute ist es aber anders. Ich war gerade bei der Blutspende. Das ist normalerweise eine komplikationsfreie Angelegenheit. Man geht ins Krankenhaus, füllt einen Fragebogen aus, lässt sich einen halben Liter der roten Flüssigkeit aus den Adern zapfen und erhält anschließend als Aufwandsentschädigung eine überschaubare Menge Bargeld sowie ein gesundes Frühstück in Form eines Käsebrötchens, einer Knackwurst und eines Apfels. Ganz nebenbei tut man noch ein gutes Werk, indem man sein Blut denen spendet, die es gerade nötiger brauchen, und bereits nach kurzer Zeit gleicht der eigene Körper wie ein Wunder der Natur die fehlenden Zellen von allein wieder aus.

Aber wie bereits erwähnt, war heute alles anders. Nicht nur, dass beim Ziehen der Wartenummer ein Schild neben dem diese ausgebenden Automaten darauf hinwies, doch aufgrund des plötzlichen Hitzeausbruchs die Wartezeit zur Flüssigkeitszufuhr zu nutzen. Auch beim Betreten des Spenderaums verstärkte sich mein Eindruck, dass heute etwas anders sei als sonst, da bereits zwei Teenagermädchen in Schocklagerung ausharrten und ärztlich betreut werden mussten. Etwas ungläubig starrte ich die leidenden Gestalten an. „Die Hitze.“ hauchte mir eine von ihnen mit letzter Kraft zu. Sicher, da war die unerwartet hohe Temperatur und vielleicht hatten die Fräuleins vor der Spende einfach zu wenig Wasser getrunken. Aber da war noch etwas, das mich irritierte. Aus dem im Hintergrund ertönenden Radio sang in typisch jammernder Stimmlage Xavier Naidoo: „Ich schreib‘ Dir Zeilen aus Blut/Und ich hoffe, Du fühlst es/Es ist ein kostbares Gut/Und es verbirgt sich in Dir …“. „Welch passender Soundtrack.“ sagte ich zu der Krankenschwester, während sie mir routiniert die Nadel in die Vene stieß. „Von dieser Musik muss einem ja schlecht werden“ ergänzte ich mit Blick auf die Schockgelagerten. Kurz nachdem mir der letzte Tropfen meines purpurnen Adernsaftes entnommen ward, wurde auch mir plötzlich schwarz vor Augen. Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn, mein Kreislauf sackte ab und meine Gesicht wurde blass.

Da war es also wieder. Mir wurde blümerant. So blümerant wie zuletzt vor über zwanzig Jahren, als ich demonstrieren wollte, wie man durch längeres Anhalten der Atemluft das Rotwerden des Kopfes provozieren konnte, und dabei unkontrolliert mit dem Haupt gegen die Heizung fiel. Dieses Mal fiel ich allerdings nicht gegen die Heizung, sondern wurde sofort professionell schockgelagert, so dass das Gefühl der Blümeranz nur von kurzer Dauer war. Als ich wieder beisammen war, sah ich im Augenwinkel, dass auch der blutspendeerfahrene ältere Herr neben mir schwach wurde und ihm ebenfalls die Beine hochgeklappt wurden. Ob das wohl ansteckend ist?

Blümerant, blümerant, blümerant, dachte ich noch so bei mir, während mir die Ärztin den Blutdruck maß und mir die Krankenschwester eine Apfelsaftschorle reichte. Danke, Hitze, dass Du mir dieses wunderschöne Wort wieder in Erinnerung gerufen hast. Und so schlimm war es alles gar nicht, mein Kreislauf hat sich wieder regeneriert, ich bin wieder wohlauf und in sechs Wochen geht es wieder zum Blutspenden.

29 Antworten auf „Blümeranz“

oh je. gestern war aber auch so gar kein kreislaufwetter. heute im übrigen auch nicht, ich schwitze schon beim treppab-schreiten.

Uuups, dass ist mir bisher erspart geblieben. Ich spende nun schon seit fast einem Jahrzehnt (ich glaube sogar, es muss jetzt genau ein Jahrzehnt sein) und bisher musste ich nie schockgelagert werden. Evt. lag es ja doch am Wanderprediger Xavier Naidoo. Da muss einem wirklich schlecht werden.

Dank sehr begehrter Blutgruppe laden die mich auch öfters zum Trombospenden ein und einmal sogar zum Granolozytenspenden. So darf ich schon eine Urkunde und eine Nadel mein eigen nennen und arbeite auf die nächste Urkunde hin. Ob es dann eine goldene Nadel gibt, weiss ich gar nicht.

Ich gratuliere zum tapferen Blutspenden. Ich habe ähnliche Situationen bisher glücklich umschifft, frage mich aber, ob es mir auch mal so geht.
In meiner Vorherigen Stadt war ich regelmäßiger Plasma-Spender in einem großen Uni-Klinikum.
Einmal habe ich den Arzt gefragt, sagen Sie, äh, Restalkohol … kann ich denn spenden ? Ja, ich durfte. War eine einmalige, unangenehme Sache nach einer Party. Immerhin war ich ehrlich.

Wo kann ich denn in Hamburg für eine überschaubare Menge Bargeld in einer Klinik spenden ? Ich habe das UKE gefunden, Blutspendedienst Bergedorf, Harburg, Eilbek, HH-Nord… aber zahlen die den auch eine kleine Aufwandsentschädigung ?

@Stefan: Hut ab. Dann hast Du sicher schon ganz zerstochene Venen, oder?

@Grenzquell: Ich empfehle ja das UKE. Das Blutspende-Team ist freundlich und es geht immer schnell voran. Ach ja, wenn Du Dich dort zum Blutspenden anmeldest, darfst Du selbstverständlich sagen, dass ich Dich geworben habe, die haben sogar ein Affiliate-Programm. Aber dann bitte auch ohne Restalkohol zur Untersuchung erscheinen, sonst fällt das womöglich noch auf mich zurück …

Danke für den Tipp. Leider ist die Spende im UKE nur bis 18 Uhr möglich. Ich werde mal Harburg probieren (bis 20 Uhr DI u. DO) und gegebenfalls einen Satz über die Fürsorge des Personals schicken, wenn ich es in den nächsten Wochen schaffe – stocknüchtern natürlich. ;-)

@Bosch,

kann ich nicht behaupten. Kleine Närbchen sieht man, aber auch nur, wenn man genau hinsieht. Bisher jedenfalls haben die fleißigen Damen immer einen Platz zum Einstechen gefunden. Fürs Spenden gibt es ja gewisse Zeitfenster, die man einhalten muss und die darf auch ich nicht überschreiten. Trombos gehen öfters, aber so oft bin ich da auch nicht. Ab und zu rufen die mich an.

@lady-kinkling: Ja, äh…genau lesen sollte ich, thank you.

Jetzt habe ich richtig Spendelust bekommen, aber eine kleine Lorano-Allergietablette schließt mich ja für 3 Wochen aus. Im Herbst dann…

Blümerant ist tatsächlich ein herrliches Wort … allerdings schätze ich den Zustand weitaus weniger. Gerade beim Blutzapfen. Da begebe ich mich freiwillig auf die Liege – schon bei kleinsten geforderten Mengen, um mich nicht unvermittelt auf kalten Fliesen wieder zu finden. Da macht man nämlich selten eine gute Figur.

Ah, ich muss mich auch mal wieder professionell blümerieren lassen, denn mit Null negativ habe ich ja das Altruistenblut schlechthin.

Oooch schade, ich bin 1h und 18 min zu spät, bzw. später als Cem. Ich habe auch gerade ard.de gelesen. Ich wollte gerade den Link schicken…
Na, dann nochmal meine Hochachtung für Ihr sprachschützerisches Engagement.

Der Dame auf dem Bild ist nicht nur blümerant, sie trägt auch bleu mourant – und ihr Zustand ist zurückzuführen auf den mit bleu-mouranter Tinte geschriebenen Brief (vermutlich von ihrem Verlobten mit dramatischem Inhalt).
Wenn mir blümerant ist, sehe ich nie so schön aus, eher grau, und kippe nicht um, sondern zeige Symptome der Seekrankheit. Das ist sehr unromantisch.

Ein Kommentar mit mehrmonatiger Verspätung. Ich hatte aber versprochen, einen Satz zum Blutspendedienst Harburg zu schreiben. Erstmal bin ich direkt in Haus 9 hineingelaufen, wo Kranke in Betten umhergeschoben werden, weil ich durch den Nebeneingang in das Klinikgelände gelangt bin – ernüchternde Ansichten.
Die Blutspendestation ist auch nicht so richtig vom Krankenhaus getrennt, auf jedenfall waren da irgendwie auch Kranke in Rollbetten auf dem Flur. Die Station war eigentlich so wie die Harburger Fußgängerzone: Ehemals modern … jetzt aber mit rauem Charme. Tische (im Imbissraum) mit einer Art Eicherustikalfunier und Stühle die an glorreiche Tage in den 70ern erinnern. Der Flur ist aber hell und freundlich gestaltet, das Personal sehr nett. Als mir auf einer der nur 5 Liegen langweilig war, bekam ich auf meine Nachfrage einen Vortrag über die Stichfestigkeit von Venen gehalten, und dass ich nicht unbedingt Orangensaft vor dem Spenden trinken soll. Das Ambiente wurde von einem dezent eingespielten 90,3 Radiogedudel abgerundet.
Ich werde wieder kommen, habe ich mir vorgenommen, vielleicht werde ich dann auch nicht wieder gefragt, ob ich schonmal einen Joint geraucht habe, denn dann bin ich ja schon Harburg-Zweit-Spender !

„blümerant“ ist tasächlich ein wunderbares deutsches Wort. Und Deine kleine Geschichte ist auch ganz wunderbar geschrieben.. :-)
bei der geglegenheit kann ich empfehlen: „das schönste deutsche Wort. Liebeserklärungen an die deutsche Sprache“ (Limbach, Hg.). Muss mal schauen, ob blümerant dort zu finden ist..

Man gewinnt fast den Eindruck, dass es bei dem Hauptbeitrag vordergründig um das Thema Blutspenden ging. Dabei sollte doch das Wort blümerant herausgehoben werden. Zugegeben, bis vor wenigen Tagen hatte ich es noch nicht gehört. Bis es ein Patient im Gespräch mit meiner Frau (sie ist Krankenschwester) benutzte. Wir haben also nachgeschlagen. Ich persönlich finde die Eindeutschung bzw. die Schreibweise eher unpassend. Weist das Wort doch auf einen Zustand des Unwohlseins hin, so passt „blümerant“ mit Wortstamm Blume, also im Kopfkino auf eine wohlduftende farbenfrohe Sommerwiese hiweisend nicht wirklich dazu. Sei´s d´rum! Wieder was dazugelernt.

Neulich war ich beim Blutabnehmen und als ich aufgestanden bin, habe ich mich plötzlich blümerant gefühlt.
Da musste ich sofort an diesen Artikel denken und wollte mich eigentlich schon da für die schöne Wortgabe dieser Situation bedanken.
Hab ich leider vor meinem Londonurlaub vergessen und hol das jetzt nach – plus liebe Grüße aus einer der schönsten Städte dieser Welt.

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