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Moleskine Hoffnungen

Moleskine
Foto: thehutch

Vor einem leeren Blatt Papier zu sitzen, ist das Schlimmste, dachte sich der Kaffeehausliterat einmal mehr. Sodann kritzelte er einige flüchtige Sätze in sein schwarzes Notizbuch, um wenigstens auf seine Umgebung nicht untätig zu wirken.

Er bestellte einen weiteren Espresso und hoffte insgeheim auf eine Wirkung seines in Maulwurfshaut eingebundenen Notizbuchs. Schließlich haben große Künstler „von Van Gogh bis Picasso und Ernest Hemingway bis Bruce Chatwin“ ein ebensolches verwendet, wie der Beipackzettel beudeutungsvoll verkündet. Warum sollte sich nicht auch ein winziger Hauch des Geistes dieser berühmten Vorbilder auf meine bescheidenen Zeilen übertragen, sinnierte der Schriftsteller, während er mit ausladender Geste reichlich Zucker in seinen Espresso schüttete. Doch bereits beim ersten Schluck ereilte ihn der bestürzende Gedanke, der geschickten Vermarktung eines Schreibwarenhändlers aufgesessen zu sein. Kein noch so legendäres Schreibzeug vermochte seine Kreativität zu beflügeln. Womöglich vollbrachte nicht einmal Goethes Federkiel dieses Wunder, geschweige denn ein überteuertes Lerderimitat aus einer chinesischen Notizbuchmanufaktur.

Seine moleskinen Hoffnungen zerplatzen jäh. Er beschloss, fortan nur noch Absinth zu trinken und sich das rechte Ohr abzuschneiden.

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Weiterführende Links:

Nachtrag 8. März 2008: Endlich ist auch der lesenswerte Artikel „Das ungeschriebene Buch“ aus der brand eins Nr. 2/2008 im Netz verfügbar. Vielen Dank an Uli für den Hinweis.

17 Antworten auf „Moleskine Hoffnungen“

@Markus: Vielen Dank für die Blumen. Das Bild ist leider nur geklaut, aber was soll’s. Ich bin ja ein großer Moleskine-Fan. Ich kann keine Texte am Computer schreiben, das macht mich irre. Ich schreibe meistens unterwegs und da hat das kleine Schwarze seine Stärken: es ist klein, leicht und schön – genau wie ein Macbook Air, nur etwas günstiger.

@uli: Danke für den Tipp. Die brandeins ist schon ein tolles Magazin. Komme leider viel zu selten dazu, es auch zu lesen. Werde mir die neue Ausgabe sofort zulegen.

Statt weiterhin Absinth zu trinken und stur in sein schönes Notizblock zu blicken sollte er sich lieber mit weiteren Techniken gegen Schreibblockaden vertraut machen :-)
Dein Artikel gefällt mir sehr gut.

@DJ Brutalo: Stilbewusstsein ist wichtig heutzutage, gerade für Moleskinenutzer. Ich möchte meine Leser hier schließlich nicht nur Unterhalten, sondern auch einen horizonterweiternden Mehrwert bieten.

Ich denke übrigens darüber nach, das WordPress-Plugin für Fußnoten (WP-Footnotes) einzubauen. Bei Marc gefällt mir das sehr gut. Zu viele Links im Text lenken den Leser nur ab und führen zu unnötigen Ablenkungen.

Sehr schöner Artikel! Übrigens, ich schreibe mit gleichem Erfolg in moleskine wie amoleskine Tagebücher. Es geht wirklich gleich gut! Und mein derzeitiges amoleskines Tagebuch hat nicht mal halb so viel gekostet wie die schwarzen Papiergötzen.

Gegen Absinth ist grundsätzlich nichts zu sagen, obwohl die veredelten Formen eher zu empfehlen sind. Manchmal möchte man Doderer zititeren, ich tu das jetzt auch und bitte, das Augenmerk besonders auf „Alkoholismus“ und „Wutanfälle“ zur richten.

Vielleicht hilft es beim Weiterschreiben.
Allerseits.

Als schlafender Präsident der einzig legitimen Nachfolgerin der Organisation Gehlen kann ich mir so etwas natürlich nicht leisten, selbst wenn der Maulwurf schon tot ist.

Womöglich vergesse ich das verräterische Ding noch in einem toten Briefkasten, so wie ich gerade drauf bin.

Lies mal von Hermann Kesten ‚Dichter im Café‘ – eine grandiose Dokumentation über die europäische Kaffeehauskultur. Glaub doch nicht, dass nicht auch größere unter Schreibblockaden gelitten hätten. Im Kaffeehaus und auch anderswo. Mit der Maufwurfshaut hat das jedenfalls nichts zu tun …

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