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Feuilleton

Schwall und Scham

„Talking about music is like dancing about architecture.“
(Frank Zappa)

Früher gab es den Künstler und sein Werk. Das Werk trat gleichberechtigt neben die Person des Künstlers. Heute tritt ungebeten das Geschreibsel des Feuilletonisten hinzu. Hat man bei Film- und Buchkritiken nicht selten noch den Hauch einer Ahnung, worum es in dem rezensierten Werk ansatzweise gehen könnte, so scheint dies für Musikkritiker zunehmend irrelevant zu sein. Die Kritik ist kein Dienst am Rezipienten, sondern sich selbst oftmals genug.

Heute erscheint das neue Tocotronic-Album „Schall und Wahn“. Seit Tagen überbieten sich Magazine und Tagespresse gegenseitig mit ihrem Geschwurbel. Selbst Leser der Boulevardpresse wissen nach Tagen der vergeisteswissenschaftlichen PR-Berieselung, dass William Faulkner den Titel bei Shakespeare entliehen hat. Eine Ahnung, was einen nach dem Aufsetzen des Tonarms (von mir aus auch nach dem Einlegen der Silberscheibe) erwarten könnte, bekommt man nach der Lektüre freilich nicht geliefert. Vielmehr wächst der Zweilfel, ob die schreibenden Musikkritiker die besprochene Platte überhaupt gehört haben; gar ob dies für ihre Besprechung überhaupt noch wichtig ist.

Die Rezension tritt gleichbereichtigt als eigenständiges Werk neben das Opus des Künstlers. Ich will das alles nicht mehr lesen, sondern nur noch die Musik hören. Musikkritiker, ihr seid Schweine. Musikkritiker, ich verachte euch zutiefst.

6 Antworten auf „Schwall und Scham“

Besprechungen von Kunst gibt es nicht erst seit dem modernen Feuilleton, daran ist imho auch erstmal nix falsch. Und dass bei Platten“kritiken“ aus den PR-Texten abgeschrieben wird, ist auch nich‘ wirklich neu. Wie auch immer. Ich gebe dir auf jeden Fall recht, dass in den meisten Artikeln (und Interviews) nur Käse steht und die Besprechungen wirklich wenig mit der Musik zu tun hat. Als lesenswertest habe ich nur das Gespräch mit der Redaktion vom Lustigen Taschenbuch wahrgenommen (http://www.lustiges-taschenbuc.....l#news-631) … Und nichtsdestoweniger. Ein schönes, verschrammelt-symphonisches Album, was die vier da gemacht haben.

Musikkritiker sind Teil der PR-Maschinerie geworden, dadurch sind sie so lästig. Der unabhängige Kritiker wird derweil überflüssig, denn das Bewerten der Musik findet durch den Konsumenten über die entsprechenden digitalen Medien statt.

lieber bosch,
gegen den musikjournalismus ist kein kraut gewachsen. er ist das unvermeidliche begleitgeräusch zu fast jeder musikalischen veröffentlichung „grösseren
ausmasses“. hass hilft da wenig. ignorieren schon eher. die engländer haben übrigens eine tolle geste, mit der sie belästigungen solcher art „kommentieren“.
es heisst dann lapidar: read my lips. :-|

und, es gibt sie noch, die löblichen ausnahmen. patrick bahners. faz. kein musikjournalist.

gruss
herr wanninger

Entnehme Ihrem Artikel, dass Tocotronic eine neue Langspielplatte herausgeben wird?
Das ist erst einmal deshalb schlecht, weil die hier in der kleinen zänkischen Alpenrepublik kaum im Plattenladen zu kriegen ist, allerdings auch wieder gut, da unsereins einen Grund vorschieben kann, zwecks Kaufung der Scherbe den künstlichen Darmausgang der Elbe zu besuchen.
Danke schon mal für die Info

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