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Literaturbeilage

Kännchen

Sie sitzen sich im Café gegenüber und teilen sich ein Kännchen Kaffee Hag. Er ist Ende dreißig, hat schütteres Haar und ist mittlerer Beamter auf Lebenszeit. Vermutlich arbeitet er im Finanzamt. Sie ist drei Jahre, zwei Monate und fünf Tage jünger als er, hat ihren neuen Faltenrock im Klingel-Katalog bestellt und bestreitet ihr Einkommen als Hauswirtschaftslehrerin. Ihr einziger Luxus ist das Gala-Abonemment, das ihrem tristen Alltag ein wenig Glanz verleiht.

Kennengelernt hat sich das junge Glück bei einem Wahre Liebe wartet-Kongress. Nun aber haben sie sich gemeinsam dazu entschieden, mit allen Konventionen zu brechen und auch mal etwas ganz Verrücktes zu tun. Sie teilen sich ein Kännchen Kaffee Hag und blicken einander verliebt in die Augen.

Er: „Wieviele Brötchen möchtest du morgen zum Frühstück essen?“
Sie: „Zwei reichen mir.“
Er: „Möchtest du auch ein Croissant dazu?“
Sie: „Was wohl morgen die Bäckereifachverkäuferin von dir denken wird, wenn du plötzlich einen Großeinkauf tätigst?“

3 Antworten auf „Kännchen“

Es ist nur wenige Tage her, als ich zum ersten Mal bei ihr zu Besuch war. Sie hatte mich zum Kaffee trinken eingeladen. Als sie mich empfing und wir just in die Küche traten, sagte ihr Mitbewohner: „Hast Du Kaffee HAG gekauft?“ Sie zuckte schüchtern mit den Schultern, nickte. „Das ist doch überhaupt nicht öko! Das wird hier nicht getrunken.“ Dann spuckte er in die offene, noch nahezu volle Kaffeepackung und warf sie theatralisch in den Müll. Sie wurde rot, nahm mich beiseite, zog mich zu sich ins Zimmer und entschuldigte sich, ehe sie anfügte: „Dieser Öko-Wahn macht mich noch irre. Ich muss hier raus! Ich – muss – hier – raus!“

Wir gingen dann in einem Café Kaffee trinken. Es gab Jacobs-Kaffee. Er war nicht öko, aber wir haben ihn genossen.

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