#boschbooze: Buck and Breck

Buck and Breck

Keine Waffen, keine Mobiltelefone, keine Kartenzahlungen, kein Speiseeis und keine Fotos. Stattdessen die Türklingel mit der Aufschrift „Bar“ betätigen, darunter zur Bekräftigung ein Schild mit der Aufschrift „HIDE YOUR PHONE/please/ENJOY THE DRINK“. Berlin-Mitte, es ist 19.30 Uhr, draußen ist es noch hell, ich klingle und warte kurz, dann öffnet sich die Tür, „Eine Person?“, „Ja, eine Person“. Allein sind Bars am besten und ich mag es, wenn es draußen noch hell ist, und man in die Bar hineingeht, wie in eine andere Welt. Die Begrüßung ist professionell, freundlich, distanziert; ich werde hineingebeten, lege meine Jacke an der Garderobe ab und nehme den mir zugewiesenen Platz ein.

Die Inneneinrichtung ist dunkel, stilvoll, modern und minimalistisch. An der Wand wenige Bilder, alles geschmackvoll. Ich füge mich dem Smartphone- und Fotografierverbot in der Bar, weil der Gastgeber das so will, obschon ich es für antiquiert halte. Aber warum nicht einmal für zwei Stunden alle Verbindungen zur Außenwelt einfach kappen, wann macht man das schon mal, schließlich zahlen andere mittlerweile für einen Digitaldetoxurlaub horrende Summen? Mindestens genau so antiquiert ist das Konzept Speakeasy und dessen ganzes Insidergetue, das Geklingel und Gewarte vor der Tür und so weiter, schließlich sind die Zeiten der Prohibition längst vorbei. Andererseits hat es freilich seinen Charme, in eine sehr kleine Bar keine Horden pubcrawlender Touristen und Junggesellenabschiede hineinzubitten.

Um den Tresen verteilt befinden sich 14 Sitze. Meiner befindet sich auf der Seite des Bartenders, dessen Arbeitsbereich sich schräg-rechts vor mir befindet. Eine etwas ungewohnte Position, fast wie auf dem Beifahrersitz, dafür aber mit perfektem Überblick. Hinter mir an der Wand eine goldene Kettensäge, toll. Es stehen bereit: Ein Glas Wasser und das Menü. Im Menü eine Auswahl von ca. 30 Cocktails, zumeist Klassiker und sinnvolle Variationen, naturgemäß kein Quatsch, schließlich zählt man zu dem 50 besten Bars der Welt, so sagt es zumindest eine immer wieder gern zitierte Liste, deren Herausgeber meinen, dieses Urteil fällen zu können. Die Spirituosen befinden sich in neutralen Flaschen, man muss hier nicht zeigen, was man hat, und lässt sich nicht von der Industrie für das Ausschenken bestimmter Marken kaufen. Aus den Lautsprechern säuselt sanft Chet Baker. Perfekte Barmusik, ich frage mich, wie man in Bars überhaupt etwas anderes spielen kann als Chet Baker.

Früh da sein ist immer gut, den Platz besetzen, das Personal ist noch frisch und gutgelaunt oder sollte es zumindest sein. Außer mir sind lediglich fünf weitere Gäste anwesend und es soll noch eine Weile dauern, bis die nächsten vom blau blinkenden Lichtsignal angekündigt werden. Auf den Plätzen neben mir ein frisch zusammengetindertes Paar, im Umgang miteinander genau so verunsichert wie mit der Auswahl der Getränke. Sie hatte gerade Grippe, er reist beruflich viel, beide wohnen in WGs und so weiter. Er war beim letzten Besuch dieser Bar mit der Getränkeauswahl KOMPLETT überfordert und hat dann einfach irgendwas bestellt, in der Hoffnung, es wird schon gut sein, sie mag was mit Rosmarin, Rum mag sie nicht, dann schon lieber Gin, da schmecke man noch die anderen Zutaten, so sie.

Die Personal-Gast-Interaktion beschränkt sich auf das Reichen des Menüs und das gelegentliche Nachschenken des Wassers. Sonst nichts. Nicht dass ich mit mir persönlich unbekannten Bartendern gern über das Leben im Allgemeinen oder gar im Besonderen plaudern würde, aber der persönliche Umgang hier scheint mir doch arg reduziert: Das wortlose Herüberschieben der Karte bei der Bestellung, keine Frage nach geschmacklichen Vorlieben und eine darauf basierende Empfehlung, keine Frage ob alles okay ist oder man zufrieden war, nichts. Rein gar nichts. Lieber verbringen die drei diensthabenden Bartender ihre Zeit damit, im winzigen Hinterzimmer auf ihren Smartphones herumzutippen, hinter der Bar stehend einen Apfel zu essen und am Tresen sitzend eine Zigarette zu rauchen. Mittlerweile habe ich die eine oder andere erstklassige Bar besucht, hatte jedoch noch nie so sehr das Gefühl, als Gast so egal zu sein.

Die Drinks – ich hatte einen French 75 und einen Corpse Reviver No. 2 – sind über jeden Zweifel erhaben. Natürlich kann dies nur eine Stichtagsbetrachtung sein, sicher hat das Bucks and Brecks auch bessere Tage. Aber in einer Bar der Kategorie Drinkskostenhierfünfzehneuroundwirgehörenzudenbestenaufderwelt kauft man als Gast eben nicht nur einen Drink, den man sich mit etwas Mühewaltung auch in der Homebar mixen könnte, sondern ein Erlebnis.

Das Jahr im Blog 2/2017: Der Wedding

Der Wedding kommt. So heißt es von dem an Berlin-Mitte grenzenden Stadtteil bereits seit 20 Jahren. Vielleicht auch länger schon. 2009 habe ich hier zuletzt fotografiert. Hier und hier finden sich die Fotos von damals. Ob sich was verändert hat? Bestimmt.

Der Wedding kommt. Ganz da ist er noch nicht. Aber Vorfreude ist bekanntlich immer das Schönste.

Bonanza Coffee Roasters

„Don’t die Before Trying.“ Fantastic espresso at @bonanzacoffee: Ethiopian ‚Adado‘. #boschcoffee

Ein von André Krüger (@bosch) gepostetes Foto am

Berlin, Prenzlauer Berg, Oderberger Straße. In der sehr hübschen und ruhigen Straße mit zahlreichen pastellfarbenen sechsstöckigen Altbauten aus der Gründerzeit, ganz in der Nähe, wo früher die Mauer Ost und West trennte, befindet sich das Café. „Don’t die before trying“, heißt es auf dem handgemalten, mittlerweile von der Witterung merklich in Mitleidenschaft gezogenem Schild aus den Anfängen von Bonanza. 2006 waren die Gründer Yumi Choi und Kiduk Reus die ersten in Deutschland, die sich ernsthaft mit Specialty Coffee beschäftigt haben. Damals nannten sie ihr Unternehmen ganz selbstbewusst Bonanza Coffee Heroes. So steht es auch noch immer über der Eingangstür.

Betritt man morgens das Café, bemerkt man als erstes die Musik. Bei Bonanza läuft immer gute Musik: Bob Dylan, The Smiths, David Bowie, aber auch viele neue Sachen aus der Indie-Ecke. (Gerüchteweise hört man, dass anfänglich, als Kiduk noch selbst hinter der Espressomaschine stand, immerzu Pink Floyd lief.) Wenn man früh genug aufsteht, hat man die Chance, ein leckeres Croissant zu ergattern. Aber das Wichtigste ist natürlich der Kaffee. Den gibt es immer. Kaffee und keinen Schnickschnack, so könnte man das Konzept von Bonanza am prägnantesten auf den Punkt bringen.

Die Anfänge der Coffee Bar

Es hätte aber auch anders kommen können. Die beiden Entrepreneure haben sich in den Niederlanden kennengelernt und wurden schnell beste Freunde. Yumi, die in Berlin geboren wurde, studierte damals Kunst in Rotterdam. Der Niederländer Kiduk arbeitete zu dieser Zeit bereits erfolgreich als Grafikdesigner. Getrieben von dem Gedanken, etwas Eigenes auf die Beine stellen zu wollen, waren sie damals gemeinsam auf der Suche nach einer Geschäftsidee. Den Plan, eine Wodka-Bar zu eröffnen haben sie zum Glück für die Kaffeewelt schnell verworfen. Yumi ist über eine Freundin, die damals bei Monmouth Coffee in London gearbeitet hat, darauf gestoßen, dass Kaffee auch ganz anders schmecken kann, als sie es bis dahin gewohnt war. Auch ihr Geschäftspartner hatte sein koffeinhaltiges Erweckungserlebnis eher zufällig, bei Caffenation in Antwerpen.

Ausstellung: David Bowie im Martin-Gropius Bau

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Die Räumlichkeiten ein dunkler Schlauch, Besucher dicht gedrängt wie auf einem Konzert, aber Kopfhörer tragend. Die aus London importierte Ausstellung versucht, sich dem Phänomen David Bowie zu nähern. Kann das gelingen? Nein. – Zu viel Text. Kein roter Faden. Verwirrung. Wer ein paar Jahre zu jung ist, um den Pop 70er und 80er Jahre bewusst erlebt zu haben, bleibt im Vagen. Macher erschlagen Besucher mit der Vielfalt von Musik, Text, Interview, Theater, Film, Mode und Installtion. Chaos.

Daran kann man verzweifeln, muss man aber nicht. Der Audioguide leitet einen durch die Ausstellung. An den richtigen Stellen werden automatisch Musik oder Tondokumente eingespielt. Das funktioniert wunderbar. Wer sich darauf einlässt, an diese Ausstellung nicht den Anspruch eines Hauptseminars zu stellen, kann durch die mehr als dreihundert gezeigten Exponate flanieren und die Geschichte des Pop erhören, erleben und erfühlen. Die Kuratoren haben eine begehbare Collage erschaffen, die vollkommen zu durchdringen in der Kürze der Zeit unmöglich ist. Und trotzdem kann man sich daran erfreuen, vom Meister und seinen Zeitgenossen zu hören, wie sie im Tonstudio gearbeitet haben; wie Bowies grimassenschneidendes Gesicht auf zwei interagierende halslose Männcheninstalltionen projiziert wird, oder wie plötzlich Ziggy Stardust ertönt, wenn man ums Eck kommt. Aufgrund der thematischen Vielfalt, kann sich jeder aussuchen, was ihm gefällt. Glitzer und Musik.

Die Ausstellung versucht, sich dem Phänomen David Bowie zu nähern. Kann das gelingen? Ja. Aber nicht mit den Augen, sondern eher kleinerprinzmäßig. Auch wenn man die Ausstellung vielleicht nicht viel schlauer verlässt als man hinein gegangen ist, so bekommt man doch ein Gespür dafür, wie groß der Einfluss David Bowies auf die Popkultur war: nämlich sehr groß.

Der Eintrittspreis ab 14 Euro ist zwar nicht gerade knapp bemessen, aber dafür dauert die Unterhaltung auch länger als Kinofilm. Die Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau läuft noch bis zum 10. August 2014.