Johann Sebastian Bach, Charlie Parker, The Beatles, Kraftwerk. Wirkliche Innovationen sind auch in der Musik überschaubar. Es wird immer weitergehen. Musik als Träger von Ideen.
Düsseldorf, 1. Juli 2017, Grand Départ. Zum ersten Mal seit 30 Jahren startet das wichtigste Radrennen der Welt auf deutschem Boden. Ich interessiere mich nicht für Radrennen und bin – zugegeben – kein riesengroßer Fan von Kraftwerk. Ralf Hütter, der Gründer der Kapelle, ist Radsportfan, genau wie seine Mitstreiter. Kraftwerk, Tour de France, Düsseldorf. Pulsfrequenz im Härtetest. Der Körper ist jetzt sattelfest.
Vier ältere Herren in großkarierten hautengen Ganzkörperanzügen stehen hinter Pulten und drücken auf Knöpfe oder tun so, als drückten sie auf Knöpfe. Was machen die da eigentlich, Live-Konzert oder Performance? Es ist egal, man kann sich der Musik nicht entziehen, 15.000 Menschen im Ehrenhof vor dem NRW-Forum mit 3-D-Brillen wippen im Takt zur Musik. Ich bin der Musikant mit Taschenrechner in der Hand. Die Show: Beeindruckend.
„Interpol und Deutsche Bank, FBI und Scotland Yard
Finanzamt und das BKA, haben unsere Daten da. Nummern, Zahlen, Handel, Leute“, heißt es im Song Computerwelt von 1981 (!). Wie visionär das alles war, lange bevor überhaupt irgendwer an Big Data gedacht hat. Aber auch alles andere: Rendezvous auf den Champs-Elysées.Verlass Paris am Morgen mit dem T.E.E. Der Trans Europa Express verbindet den Kontinent – dass Europa womöglich gerade wieder zerfällt war 1977 nicht abzusehen – und Radioaktivität lässt auch Fukushima nicht unerwähnt.
Zugabe: Die Roboter. Auf der Bühne jetzt: Die Kraftwerk-Roboter. Wir funktionier’n automatik. Jetzt woll’n wir tanzen mechanik. Wir sind die Roboter. Alles mit ziemlich viel Bass und ganz fabelhaften 3-Videos. Man möchte immerzu hören und gucken. Musique Non-Stop.
Wir haben mit etwas Glück VIP-Karten für das Konzert ergattert. Düsseldorf ist klein. Neben uns stehen Andreas Gursky und der Oberbürgermeister. Aber wo sollten Andreas Gurky und der Oberbürgermeister auch sonst hingehen an einem Abend wie diesen? Freibier und -bratwurst gibt es nur für Gäste des Hauptsponsors, also für fast alle bis auf uns. Zum Glück verteilt der Bürgermeister sehr großzügig seine letzten Getränkegutscheine. Boing Boom Tschak!
Wir lernen einen alten Weggefährten der Band kennen und erfahren von ihm zahlreiche sehr intime Kratwerk-Details über die der öffentlichkeitsscheue Ralf Hütter jedoch niemals sprechen würde. Unter anderem wissen wir jetzt, wo sich Ralf Hütter gern zum Kaffeetrinken verabredet. Ich behalte dies und alles andere für mich. Warum sollte ein Beatle der Elektromusik – so bezeichnete sie einst die New York Times – nicht auch an einem absurden Ort Kaffeetrinken gehen können; wie ein ganz normaler Einundsiebzigjähriger? Was im VIP-Bereich passiert, bleibt im VIP-Bereich. Bloggerehrenwort.
Ich kann nicht anders: Ich bin jetzt doch ein bißchen Kraftwerk-Fan. Gute Nacht, auf Wiedersehen, bei der Tour de France Düsseldorf – Paris!