Freitag zwei Feiern. Party 1: Zunächst die Weihnachtsfeier einer Agentur in einer Bar im Osten der Hauptstadt. Der spröde Charme der sozialistischen Architektur, in deren Umfeld das gemäßigte Spektakel stattfindet, ist abstoßend und anziehend zugleich. Bei Flying Buffets hat man anfangs immer etwas Angst, nicht genug abzubekommen – die Erfahrung hat einen indes gelehrt, dass man am Ende immer satt wird. Mit „man“ meine ich natürlich „ich“, denn schließlich ist Buffetgier allgemein nicht sonderlich anerkannt. Aus den Lautsprechern tönt launige Musik, die zum Tanzen einlädt. Ich bleibe jedoch Eckensteher (wenngleich ich mich gegen ein gelegentliches Beinzucken nicht erwehren kann), obwohl im Laufe des Abends auch härtere alkoholische Getränke zum Ausschank freigegeben werden. Auch die dem Tanze zugeneigteren Gäste machen von dieser Möglichkeit nur sparsam Gebrauch. Ich überlege, ob ich jemand Bestimmtes Anrufen, eine SMS, eine Twitter-Nachricht, eine Mail oder einen Facebook-Anstupser senden soll, fühle mich dafür allerdings nicht betrunken genug. Rechtzeitig bin ich auf Wasser umgestiegen, denn auf dieser Veranstaltung bin ich nicht nur Gast, sondern auch als Fotograf engagiert. Obwohl ich nicht allzu gern Menschen fotografiere, ist es in diesem Falle eine eher angenehme Rolle: teilnehmende Beobachtung. Man schweift umher und die Kamera in der Hand gibt einem die Gelegenheit, sich unliebsamen Gesprächssitationen elegant zu entziehen. Schließlich müsse man „arbeiten“. Die Lichtsituation ist natürlich schwierig, aber auf welche Situation träfe das nicht zu? Gegen 3 Uhr Aufbruch.
Party 2: Taxifahrt nach Prenzlauer Berg, Alkoholbesorgung beim Spätkauf. Letzteres lediglich als Alibi: ein Sixpack Bier ist nicht viel für drei Personen, aber so stehen wir wenigstens nicht mit leeren Händen da. Die Treppe: unzählige Stufen, zwei Hübe Salbutamol machen den Aufstieg erst möglich. Wir erreichen die mondäne Wohnung mit großzügiger Dachterasse, die allerdings aus Schneematschgründen keinesfalls betreten werden soll. Ich bin langsam komplett nüchtern. Das ist keine gute Voraussetzung für eine bereits so weit fortgeschrittene Party. Man findet sich ohnehin schlecht ein, wenn der Zenit bereits überschritten ist. Junge Mädchen im zarten Führerscheinalter (Klasse III) küssen ausgelassen Männer, die ihre Väter sein könnten, wenn diese rechtzeitig mit der Nachwuchsförderung begonnen hätten. Mir wird vorgeworfen, griesgrämig dreinzuschauen, was sicher zutreffend ist. Ich bin zu nüchtern für diese Veranstaltung und fühle mich weder alt noch erfolgreich genug, um mit fünfzehn Jahre jüngeren Frauen anzubandeln. Ich trinke ein Glas Spezi, obwohl noch reichlich Alkoholika vorhanden sind. Nur 900 m entfernt wohnt die Frau, die ich liebe. Ich schreibe ihr noch immer keine SMS, weil ich weiß, dass es keinen Sinn hat, und ich mich tags darauf sicher darüber ärgerte. Ich frage mich, was sie wohl gerade macht, trinke ein weiteres Glas Spezi und manipuliere die Playlist, während zwei Mädchen miteinander im Schlafzimmer verschwinden und die anderen reihum einander ihre Zungen in den Hals stecken. Die Musiksammlung auf der Festplatte entspricht nicht meinem Geschmack und ich komme mir deplaziert vor. Gegen 6 Uhr Aufbruch: Schienenersatzverkehr.