Wie so oft beginnt der Tag unter der Dusche. Ein regionaler Radiosender verkündet: „Rufus Wainwright spielt heute Lieder von seinem neuen Album. Es kostet nichts, kommt alle!“ Man hätte ahnen können, dass ein so genanntes Kulturkaufhaus kein guter Ort für den Meister ist, um sein neues Album „All Days Are Nights: Songs For Lulu“ zu präsentieren.
„KulturBühne an der Sphinx“ ließ zwar Großes verheißen, letzendlich handelte es sich nur um das lichtarme Atrium eines Siebzigerjahrezweckbaus. Kühles Licht, funktionale Bodenbefliesung und Hydrokulturen, wenig Sauerstoff. Nicht einmal alle sind gekommen – und trotzdem war es zu voll. Zwei Etagen: unten, wo sich die Bühne befand, nur eine handvoll Zuschauer und noch reichlich Raum. Sicherheitsleute, deren Charme an Mauerschützenprozesse denken ließ, versperrten jedoch den Weg zum Geschehen. Die oben Gebliebenen standen sich gegenseitig auf den Füßen, um einen Blick auf die kleine Leinwand zu erhaschen, auf der das seitens des Moderators zuweilen unmotivierte Vorgespräch und das kurze Stelldichein am Piano mit Rufus übertragen wurde. Das versprochene Liveerlebnis wurde zum Public-YouTube-Viewing. Mehrere Teenager langweilten sich gepflegt auf einem Sofa, ein Kleinkind schrie. Sie schienen sich nicht sonderlich für vertonte Shakespeare-Sonette zu interessieren.
Zu hören war fast genau so wenig wie zu sehen. Selten war die Bezeichnung „grottiger Sound“ zutreffender als an diesem Abend. Man konnte nur erahnen, dass dort gerade große Musik gespielt wurde vom „Verdi, der in Lady Gagas Körper gefangen ist“, wie der Musiker kürzlich sich selbst scherzhaft bezeichnete. Wer Rufus Wainwright wirklich erleben wollte, hat sich eines der raren Tickets für sein ausverkauftes Konzert heute Abend in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz besorgt. Allen anderen bleibt YouTube und die Hoffnung, dass der Meister gestern im Anschluss an die Signierstunde nicht auch noch mit Herrn Dussmann griechisch essen gehen musste.