Kirschen blühen in zartem Rosa und der Himmel erstrahlt in seinem schönsten Blau. Manche spüren jetzt eine Art von Aufbruchstimmung, einige haben sogar Frühlingsgefühle. Aber wir wissen zu gut, dass Dinge, die leicht beginnen, dazu neigen, irgendwann kompliziert zu werden. Selten ist irgendetwas im Laufe der Zeit einfacher geworden. Und ehe man sich versieht, steht der Herbst schon wieder vor der Tür.
Jetzt geht wieder alles von vorne los.
[podcast]http://posterous.com/getfile/files.posterous.com/temp-2011-04-10/hxtyIFjvrnpbhwDGFIucwAybblxsacjCqtmJbwzCdczFvFwHElJrwkjpthEd/01_Jetzt_geht_wieder_alles_von_vorne_los.mp3[/podcast] Tocotronic – Jetzt geht wieder alles von vorne los
Es ist nicht unsere Schuld,
Es konnte ja nicht gehen.
Es ist ein durch und durch
Fehlerhaftes System.
Wir taten, was wir konnten,
Es konnte doch nicht sein,
Es fing mit L an
Und wir fielen darauf rein.
(Christiane Rösinger)
Trotz Höhenangst und Sonnenschein den Tag im Hochbett verbringen und noch einmal die Musik der Lassie Singers hervorkramen. Dann mit einem alten Freund telefonieren, der in Zeiten wie diesen stets voller Überzeugung zu einer sogenannten Zwischenfrau rät. Dankend ablehnen und ihm sagen, dass man gerade zehn Monate lang eine solche hatte. Dann gemeinsam lachen. Natürlich ist es in diesem Moment die nicht reproduzierbare Komik der Situation, denn beide wissen, dass es ganz anders war. Aber das ist nun vorbei.
„Werdet ruhig willfährig – mich kriegt Ihr nicht mehr dran.“
Nichts zu verlieren,
Das ist der Stand.
Der Kummer frisst das Glück
Uns aus der Hand.
Obwohl vielleicht,
Wenn uns das nicht schert,
Ist es für uns
Bis morgen umgekehrt.
(Erdmöbel)
Zeitlebens wunderte er sich über Paare, die in der Halböffentlichkeit problemorientierte Trennungsgespräche führten. Nun sitzt auch er mit seiner frisch Getrennten in der Kneipe mit dem Kamin und ringt einmal mehr um Worte und ein bißchen auch mit Tränen. Obwohl er wusste, dass sie nichts mehr gewinnen konnten, beraumte er diesen Termin an, der eine Woche lang wie ein Mühlstein auf ihm lastete. Kurz zuvor ebnete sie ihm noch den Weg für einen eleganten Rückzieher, aber er wollte einen letzten Versuch unternehmen, sich zu erklären und das Geschehene besser zu verstehen, obwohl er ahnte, dass es keinen Sinn haben würde. Während er es früher liebte, tief in ihre dunklen braunen Augen zu schauen, weicht er heute ihren Blicken aus, weil er glaubt, sich so besser auf die Worte konzentrieren zu können. Dann sagt er ihr ein letztes Mal die Dinge, von denen sie sagt, dass sie sie alle schon gehört habe. Was ihm bleibt, ist die endgültige bittere Erkenntnis, dass die Liebe, an die er bis zuletzt geglaubt hat, nicht groß genug gewesen sei. Ein letztes Mal umarmen sie einander, bis sie sich schließlich am Bahnsteig gegenüber stehen, um in entgegengesetzte Richtungen zu fahren.
Auf dem Heimweg strömt Musik in seinen Kopf, die so leicht und traurig zugleich ist: Die wunderbare Erdmöbel-Fassung des Henry-Mancini-Klassikers „Nothing to lose“.
[podcast]http://posterous.com/getfile/files.posterous.com/temp-2011-02-18/pIdJuADurirFlqHhpaChJBzvvEnHqGGeFgGshDJGJdeJdmDkmrDsvkyrIFvw/02_Nichts_Zu_Verlieren_Nothing_To_Lose.mp3[/podcast] Erdmöbel – Nichts zu verlieren
Meine Damen und Herren, zur Abwechslung etwas Erfreuliches: Das Meer. Ja ja, werden Sie jetzt sicher sofort sagen, und fragen, was daran erfreulich sein soll. Sie werden auf all die ertrunkenen Seeleute hinweisen, die bei rauer See am Kap der guten Hoffnung ihr Leben ließen, und auf Piraterie, die Wilhelm Gustloff und auf all die sich selbst überschätzenden Freizeitschwimmer, die auch von den vollbusigsten Baywatch-Retterinnen nicht mehr ins Leben zurückgeholt werden konnten. Vielleicht kommen Sie jetzt auch mit Offiziersanwärterinnen, die von der Takelage eines Segelschulschiffs fielen. Und obwohl sie das Wort „Takelage“ bis vor ein paar Wochen noch gar nicht kannten, werden Sie fragen, was an all dem erfreulich sein soll.
Wir schieben das – wie all die anderen unerfreulichen Dinge – einfach beseite. Obgleich ich nur ungern verreise, war ich zeitlebens immer gern am Meer. Für mich ist es nicht das Eintauchen ins Wasser, das den Reiz ausmacht. Darauf verzichte ich gern. Es sind der Blick in die Ferne, die endlose Weite, die gute Luft und das Rauschen der Wellen, die mich beglücken. – Am liebsten habe ich Spaziergänge am Meer im Herbst oder Winter, wenn es so richtig stürmt.
Aber auch im Sommer kann es am Meer einladend sein: Es ist Mitte August und die Sonne scheint. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie an der Nordsee. Natürlich möchte sie ins Wasser, hat aber keinen Badeanzug dabei. Im Drogeriemarkt des Ortes erwerben wir zu einem überhöhten Preis den schrillfarbigsten Bikini, den die Welt je gesehen, und ein Handtuch von einer Häßlichkeit, dass nicht einmal Touristen an mallorquinischen Swimmingpools es wagten, mit einem solchen Liegestühle zu blockieren. Aber das ist egal, denn es geht um das Gefühl, einmal, wenn auch nur für einen kurzen Moment, im Meer zu baden. Sie genießt es. Ich sitze am Strand und es ist schön, ihr dabei zuzuschauen. Ein frischer Wind weht mir um die Nase und trotzdem ist es angenehm warm. In trinke einen Schluck Bier aus der Flasche und in meinem Kopf summt Charles Trénet „La mer“.
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