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Rentnermaschine bei Schneefall

Da war es wieder, das beharrliche Kratzen auf dem Trottoir, das einen unweigerlich aus dem tiefsten Schlaf reißt. Auch nach Bewilligung der gesetzlichen Altersrente steht der Besitzer des Nebenhauses Tag für Tag noch vor allen anderen Bewohnern der Straße auf, um nachzusehen, ob gefrorener Wasserdampf in sternförmigen Kristallen in fester Form auf die Erde gefallen ist. Aufgrund des fortschreitenden Klimawandels ist dies nur noch selten der Fall.

Schneeschaufel mit MetallkanteAußer der Jahreshauptversammlung des Haus- und Grundbesitzervereins bietet das Leben dem Nachbarn nur noch wenig Abwechslung. Bedeckt jedoch hin und wieder der weiße, feste Niederschlag vollständig den Boden, dann freut sich der Mann. Sogleich holt er, während selbst zur Frühschicht einbestellte Arbeiter und strebsame Büroangestellte noch selig schlummernd ihren wohligen Träumen nachhängen, seine große hölzerne Schaufel mit der glänzenden Metallkante hervor.

Alle in der Straße kennen ihn nur als freundlich grüßenden älteren Herren mit einem stetig wachsenden Bauchansatz, der seinen Garten sorgsam pflegt, jeden Dienstag seine gelesenen Bildzeitungsausgaben ordentlich gebügelt zu einem Paket schnürt und für die Altpapierabholung bereitlegt sowie mehrfach in der Woche mit einem Hackenporsche die Bierflaschen aus Plastik zurück zum Supermarkt bringt, um sie sogleich gegen gefüllte Behältnisse einzutauschen, die es im Laufe der Woche vor dem Fernseher sitzend zu leeren gilt. Nur wenn Schnee gefallen ist, durchbricht dieser Kreislauf. Dann wird der Rentner zur Maschine. Ganz früh am Morgen nimmt er seine hölzerne Schaufel und kratzt dann mit größtmöglicher Kraft und diebischer Freude mit deren Metallkante in Höllenlautstärke auf den Bordsteinen vor den Schlafzimmerfenstern der Nachbarschaft herum. Der Schnee ist zwischenzeitlich längst wieder geschmolzen, aber noch sind nicht alle Nachbarn wach.

9 Antworten auf „Rentnermaschine bei Schneefall“

Senile Bettflucht nennt man das. Wir scheinen den gleichen Nachbarn zu haben. ;)

Viel schlimmer finde ich allerdings, wenn morgens in aller Hergottsfrüh die Leute ihren Motor anschmeißen und dann erstmal minutenlang ihre Autofenster freikratzen.

@Kirsten:
Und im Fortgeschrittenenkurs lernen sie dann, wie man am Samstagmittag an der Supermarktkasse am effektivsten eine Schlange bis zur Wursttheke bildet. Leider hilft das nicht mehr, um den Rest der Menschheit aufzumischen – die Supermärkten haben jetzt schließlich stets bis 22 Uhr geöffnet.

du bist undankbar, schließlich hat der hanseate an sich ein auf’s äußerste gestörtes verhältnis zu jeglichen frostprodukten, die sich unter freiem himmel bilden. während ein drittel der bevölkerung spätestens nach der dritten schneeflocke durch hysterisches bremsen (mein gott, die sommerreifen!) die a7 durch massenkarambolagen lahmlegt, traut sich der rest gleich gar nicht mehr aus dem haus, man könnte ja ausrutschen. dass sich zumindest letztere gefahr durch rechtzeitiges räumen und streuen gen null reduzieren lässt, hat sich leider nördlich des weisswurschtäquators noch immer kaum herumgesprochen.

dein nachbar ist folglich ein musterbeispiel an aufklärung. ansonsten heisst es in hamburg weiterhin: diese stadt wird nicht geräumt und nicht gestreut.

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