In der Warteschlange vor dem mobilen Verkaufsstand einer Hamburger Biobäckerei geht es leider nur mühsam voran. Die Verkäuferin ist wie immer etwas zu übereifrig und noch lange, bevor ich die Gelgenheit habe, meine Müslistange und ein Dinkelbrötchen zu bestellen, weiß ich, welcher Dialog so genau Wort für Wort gleich nach dem freundlichen Begrüßungsprozedere folgen wird:
Ich: „Eine Müslistange und ein Dinkelbrötchen, bitte.“
Verkäuferin: „Und worauf haben Sie noch Appetit?“
Ich: „Da gäbe es sicher eine ganze Menge, aber ich bleibe bei meiner Bestellung.“
Passend reiche ich das abgezählte Münzgeld über den Bedienungstresen und dann stellt sie mit größtmöglicher Selbstverständlichkeit die nächste Frage, bei der mir jedesmal Nackenhaare wachsen, um sich sogleich senkrecht aufzustellen.
Verkäuferin: „Brot haben Sie noch zuhause?“
Von diesem Dialog gibt es keinerlei Abweichung. Wer dies nicht glauben kann, sollte einmal an einem Donnerstag auf dem Wochenmarkt am Hamburger Schulterblatt oder an einem Freitag in Ottensen versuchen, kein Brot zu erwerben. Ich kaufe gern ein und lasse mir auch gern etwas verkaufen, aber diese penetrante Art der Suggestivfragerei bringt mich auf die Palme.
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Hier gibt es weitere Warteschlangengeschichten.
17 Antworten auf „Warteschlangengeschichten Teil 6“
Oh ja, kenn ich zu gut.
Üblicher Routinedialog mit Familje bei MäcDo:
Ich: „Zwei Happy Meal mit Nuggets, beide mit Süsssaurer Sosse, ein Ketchup nur, bei Sprite, dann (kleine Kunstpause) ein Salat Nummer zwei, (Kunstpause) und für mich einen Royale TS Sparmenü mit Cola, keine Ketchup oder Majo, (Kunstpause) alles zum hier essen.“
Was dann folgt ist stupide Abfragerei mit allen Varianten und zwar jeden Punkt einzeln. Ich hätte genausogut „Bahnhof“ sagen können am Anfang (Sorry PapaScott, I know you’re a pro). Übrigens, das gleiche auch bei einer Currywurstbestellung an der Bude. Die haben ein Kurzzeitgedächtnis das ist unwesentlich verschieden von Null. Die funktionieren nur noch wie Eingabe/Ausgabe-Automaten nach einem festen Programm. Drill.
Nur bei der Dönerbude ist es anders. Du bekommst mit einem breiten Lächeln immer genau das Gleiche. Völlig egal, was du vorher gesagt hast. Wie eindringlich du auch immer gebeten hast die weisse Sosse zu nehmen und nicht die rote reinzuhauen. Oder weniger Zwiebeln.
Das nächste Mal bestellst Du einfach: „Ich habe im Augenblick Appetit auf eine Müslistange und ein Dinkelbrötchen, was ich deswegen gerne ausschließlich hätte, zumal ich zuhause noch ausreichend Brot habe.“
Ich glaube die Verkäuferin hat dich astrein angemacht! … Auch wenn jetzt der Literaturwissenschaftler durchbricht *lol* Aber „Brot“ haben sie noch zu Hause? Brot ist doch hier klar die Metapher für „Frau“ (alt etc). Du solltest eher vorsichtig sein … vielleicht will sie ja eher sich verkaufen ;)
@Cem: Wenn ich in der Dönerbude nach einer beißend brennenden Geschmacksrichtung verlange, erhalte ich einen Paarhufer der Gattung der Ziegenartigen – oder umgekehrt. Mal mit viel scharf und mal mit viel Schaf. Also, viel einfacher als eine Müslistange zu erwerben ist das für mich auch nicht.
@lady-kinkling: Das ist ein guter Tipp. Für den nächsten Bestellvorgang werde ich mir Deine Worte merken.
@Christoph: Ohne der Dame zu nahe treten zu wollen, aber ich lade Dich ein, Dir auf dem Wochenmarkt ein eigenes Bild von ihr zu machen. Dann wird Dir klar sein, dass es da ausschließlich um biologische Backwaren geht. Nichts weiter.
Ich bestelle meine Falafel immer mit „bloß nicht scharf“, das klappt immer gut.
Verstehe. Ja, lieber Bosch, es ist ein hartes BROT an Geschichten zu kommen, die blogbar sind. Das ist so eine. Aber zu welchem Preis!
Ich meine, das muss man dir lassen: Mit einer gewissen Hartnäckigkeit rennst du da immer wieder hin, nur um dich dann aufzuregen. Wenn man jetzt Renter wäre, dann, ja dann wäre das doch mal was.
Aber um was geht es nun wirklich: Tatsächlich um die Backwaren? Oder ist das eine Form urbanen Extrem-Sports?
Ich jedenfalls würde nach drei Mal dort kaufen mir eins backen auf das Brötchen. Und das Stängchen.
ha!
Ja das kenn ich!
Bei unserem Bäcker gibt’s immer ganz laut „Morgäääään!“ auf die Ohren (so dass es einem um acht Uhr morgens schonmal übel wird) und dann das obligatorische „Darfs sonst noch was sein?“ oder „Ham se noch’n Wunsch?“ in zwei Oktaven höher und einer Stufe lauter.
Da muss man stark sein und einfach durch :-)
Ja, das kenne ich gut. Es begab sich für mich, etwa zwei Jahre über dem Stammhaus der Lübecker Stadtbäckerei (die hier in Hamburg unter der Bezeichnung Hansebäcker firmiert) zu wohnen. In diesen zwei Jahren habe ich diverse solcher Zusatzfragen kennen gelernt (ganz interessant: es gab immer einige Wochen bis Monate dieselbe, die dann alle dort angestellten Bäckereifachverkäuferinnen penetrant, zur Not auch zwei Mal am Tag, wiederholen). Cems Aussage „Drill“ trifft das sicherlich sehr gut.
Nun ja, der schlimmste war allerdings, wie gesagt unabhängig von der Tageszeit (und meistens hatte ich gegen halb acht einen Kaffee zum Mitnehmen in der Hand): „Darf’s noch ein leckeres Stück Kuchen dazu sein?“ Wochen.lang.
Da muss ich dich zum Niendorfer Wochenmarkt am Freitag einladen, da ist Bio-Markt. Der Verkäufer dort vom gleichen Bio-Bäcker ist ziemlich wortkarg. Wenn ich Brot will, krieg ich Brot, wenn ich Brötchen will Brötchen und zum Abschied gibts noch grad einen schönen Wochenendgruß. Stoischer Norddeutscher würde ich sagen.
Da ich selbst im Vertrieb tätig bin, kann ich aber in etwas nachvollziehen, was die Dame da macht. Erste Frage finde ich noch akzeptabel, aber die zweite Frage dürfte sie sich schenken, nachdem du die erste Frage bereits beantwortet hast. Gute Verkäufer zeichnen sich auch durch gutes Zuhören aus.
Ich persönlich mag solche Verkäufer. Wenn ich weiß, was ich will (und beim Bäcker ist das regelmäßig der Fall), möchte ich nicht noch mit irgendwelchen Angeboten vollgequatscht werden.
Am schlimmsten ist es ja mittlerweile bei der Post. Jedesmal, wenn ich dort etwas abschicke (das kommt recht häufig vor in letzter Zeit), will man mir gleich ein neues Girokonto oder irgendeine andere Finanzdienstleistung andrehen. Furchtbar.
[…] wunderbare boschblog zeigt in diesem Artikel eine bisher viel zu wenig beachtete Entwicklung in den Verkaufsgesprächen des Bäckergewerbes auf: […]
Mein Abscheu gilt den immer mehr um sich greifenden Floskeln á la „schönen Abend noch“ (gerne werktags gegen 24 Uhr, wenn man eh schon etwas fertig aussieht und sich auf den Nachhauseweg macht, den man schon vor einer Stunde hätte antreten sollen) oder, neuerdings auch schon gehört: „Eine schöne Woche noch“ (am Mittwoch).
Ich gehe in Hannover immer zum Bäcker Dang. Ja tatsächlich – ein Chinesischer Bäckermeister. Frau Dang bedient. Da heißt es immer ein Brötchen zu wenig bestellen, denn sie tut immer – WIRKLICH IMMER – irgendwas extra in die Tüte. Nein, nicht nur bei mir – bei jedem Kunden. Falls du mal in Hannover bist – das Knäckebrot mit nem halben cm Körnerauflage ist super. Besser als bei jedem Biobäcker.
Wenn ich auf der Arbeit jedesmal alle Fragen der Aral-Fibel vortragen würde, müsste ich mich mit jedem Kunden ein paar Minuten unterhalten… „Haben Sie schon unsere SuperSnacks probiert?“ „Einen Kaffee oder eine andere KaffeeSPEZIALITÄT dazu?“ Zum Hier essen oder Mitnehmen?“ „Sammeln Sie Paybackpunkte?“ „Nein?!“ „Das ist ganz toll und sie werden zum gläsernen Kunden…“
Gerüchten zufolge hat McDonalds mit einer einzigen Frage seinen Umsatz um mehrere Millionen gesteigert. Die Frage lautete: „Ketchup oder Mayo dazu?“
Zu der besagten Zeit kostete Ketchup und Mayo bei McDonalds irgendwas bei 10 Pfennig. Ich kann schon verstehen, dass Firmen darauf achten, dass ihre Mitarbeiter Fragen stellen.
Mich fragt meine Shelltankstelle (Kundenkarte!) jedesmal beim Bezahlen immer: „Sind Sie schon ADAC-Mitglied?“… Crossselling nennt man das.
[…] 1)Lange Zeit habe ich in der Vorstellung gelebt, daß man, wenn man irgendetwas benötigt, in ein Geschäft geht und seinen Wunsch äußert. Idealerweise wird man dort freundlich und kompetent bedient und bekommt, was man verlangt hat. Dies ist eine total verklärte Vorstellung der Realität, denn das Verhältnis zwischen Kunde und Verkäufer hat sich in weiten Teilen umgekehrt: Heute wird der Kunde angesprochen angerufen, um ihm die Gelegenheit zu geben, etwas besonders Gutes, Günstiges, Einmaliges zu kaufen. Ob er will oder nicht. Geht man in ein Geschäft, so kann es einem folgendes passieren: “Guten Tag, ich hätte gern 4 ungebrühte Bratwürstchen!” “Die sind aus, nehmen sie doch die Weiswürste, die sind auch sehr lecker!” Passen aber leider nicht zu Rosenkohl mit Speck. Scheinbar muß man sich von der Vorstellung verabschieden, kaufen habe etwas mit der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse zu tun. (Siehe auch: Boschblog) […]