Warenwelten #1: Einkauf mit Frau

Ein etwa siebenjähriger Junge begleitet seine Mutter widerwillig in ein Warenhaus. Die Mutter wünscht, in der Wäscheabteilung einen BH zu erwerben, welcher ihre Brüste in möglichst vorteilhafter Form präsentiert. Den Jungen interessiert die Präsentation von Brüsten, zudem noch die seiner Mutter, naturgemäß wenig.

Viele Jahre später, wenn der Stimmbruch überstanden ist, die Barthaare sprießen und auch das Interesse für vorteilhaft präsentierte Brüste zugenommen hat, wird er als Mann an der Seite seiner Holden an den noch immer ungeliebten Ort zurückkehren. Er wird dann in einem unbequemen Sitzmöbel platznehmen und mit seinen dort bereits seit Stunden ausharrenden Leidensgenossen kein Wort wechseln. Dafür wird er alle zwei Minuten abwechselnd einen Blick auf seine Armbanduhr und auf seine sich unendlich oft umkleidende Liebste werfen. Seine Ungeduld wird im gleichen Maße zunehmen wie die durch Einkaufsgenuss hervorgerufene Glückseligkeit seiner Begleiterin. Gleichzeitig wird er sich über den in der Herrenwarteecke aufgestellten Trinkwasserspender ärgern, denn dieser ist entweder leer oder verkeimt. Sollte beides einmal nicht zutreffen, und und sich der Mann bereits auf die Zufuhr eines kühlen Trunks freuen, um der bereits einsetzenden Dehydrierung in der Einkaufswüste entgegenzusteuern, dann werden ganz bestimmt die Einwegbecher fehlen.

In diesem Moment wird ihm dann das erste Mal bewusst werden, dass die einzigen Jahre, in denen ein Mann so richtig frei ist, diejenigen zwischen Grundschulalter und dem Beginn der ersten festen Beziehung sind – die wenigen Jahre im Leben eines Mannes, in denen keine Frau zum Einkauf begleitet werden muss. Aber davon ahnt der kleine Junge jetzt noch nichts.

Das Herz ist ein dunkler Wald – die Wahrheit über das Filmgeschäft

Die ganz großen Karrieren im Showbusiness beginnen immer unspektakulär. Kein Weltstar ist je aus einer Castingshow hervorgegangen, sie wurden alle entdeckt. Auch meine Filmkarriere begann im April 2006 in einer Kneipe. Eine junge Dame setzte sich an meinen Tisch, was bei mir schon mal vorkommt. Sie frug mich, ob ich bei einer Filmproduktion mitwirken wolle, was bei mir in letzter Zeit eher die Ausnahme war. „Nicolette Krebitz führt Regie, Tom Tykwer ist Produzent. Nina Hoss spielt mit, Otto Sander und Monica Bleibtreu ebenfalls. Bist Du dabei?“ Ich überlegte kurz, und nachdem mir auch nach angestrengtem Nachdenken die Telefonnummer meines Agenten nicht einfallen wollte, sagte ich kurzerhand zu. Die junge Dame notierte meine Telefonnummer, machte ein unvorteilhaftes Digitalfoto von mir und verschwand. Wenige Stunden später übermittelte man mir bereits telefonisch Drehort und -zeit und forderte mich auf, meinen Sozialversicherungsausweis mitzubringen.

Nina Hoss in
Nina Hoss während der Dreharbeiten

Was am Set, wie wir Leute vom Film zu sagen pflegen, folgte, war das, was man als Tortur bezeichnen würde. „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“, sagte einst Karl Valentin. Das Drehen von Kinofilmen muss ihm verborgen geblieben sein, sonst hätte er uns mit auf den Weg gegeben, dass Filmkunst nicht nur Arbeit macht, sondern auch reine Qualen bereiten kann. Mein erster und letzter Drehtag brachte mir folgende Erkenntnisse:

  • Im April kann es bitterkalt sein.
  • Die meiste Zeit während eines Filmdrehs entfällt darauf, zu warten, dass etwas passiert.
  • Es gibt Menschen, die sich bei auf die Vermittlung von Komparsen und Kleindarstellern spezialisierten Agenturen um eine solche Rolle bewerben. Wählt man sie dann aus, um für den Bruchteil einer Sekunde durch ein Bild zu laufen oder maskiert auf einer Party zu erscheinen, so fahren sie dafür quer durch die Republik. Manche von ihnen sind Hartz-IV-Empfänger und nehmen sogar horrende Fahrtkosten, die ihre Komparsengage leicht um ein Vielfaches übersteigen können, in Kauf, nur, um einmal bei einem Filmdreh dabei sein zu können.