Peter Handke: Antiquariat und Film

Peter Handke, Der Hausierer

Im Antiquariat brennt noch Licht, obwohl es bereits spät ist. Ein Touristenpaar verirrt sich hinein, ich folge ihnen, der kundige ältere Herr in dem Neuköllner Ladengeschäft empfiehlt ihnen dieses und jenes.

Kürzlich habe ich den Dokumentarfilm Bin im Wald. Kann sein, daß ich mich verspäte. gesehen. In den sehr langen Einstellungen passiert erfreulich wenig: Peter Handke putzt Pilze, fädelt Fäden ein (ungeschickt), sägt einen Ast, serviert Suppe, liest Zeitung, hämmert auf einer mechanischen Schreibmaschine, sitzt vor dem Haus (barfuß), spitzt einen Bleistift, geht spazieren (Paris). Dabei bekommt man einen Einblick in die Gedankenwelt des Schriftstellers („Wie das geht, mein lieber Herr. Was ist Prosa? Weiß man nicht, wie’s geht. Man hat irgendwas in sich.“) Das war schön. Jedenfalls so schön, dass ich wieder Handke lesen möchte.

Im Antiquariat ergreiffe ich einen dünnen Band – Der Hausierer. „Macht einen Euro“, sagt der Antiquar. Ich antwortete, dass das zu wenig sei und handle den Preis auf zwei Euro hoch. Zu Hause angekommen lege ich das Buch auf den Stapel der ungelesenen Bücher (hoch).

Abwesenheit – Ein Liebesfilmexperiment

Und im Leben geht’s oft her wie in einem Film von Rohmer,
Und um das alles zu begreifen,
Wird man was man furchtbar haßt, nämlich Cineast,
Zum Kenner dieser fürchterlichen Streifen.

(Tocotronic)

Anstatt den verdammten Text endlich zum Abschluss zu bringen, einfach mal einen Film in die Kamera hineinprokrastinieren und es Filmkunst nennen. Ist er handlungsarm, nenne ich es Experimentalfilm, ist er verwackelt, nenne ich es Dogma 95. Mein Debüt ist naturgemäß ein Liebesfilm, für den es nur einzig möglichen Titel gibt: Abwesenheit.

Klaus Lemke: Rocker

„Du flachst mich nicht, Torte.“
– aus Rocker, 1972

Vor vielen Jahren ein bierseliger Abend mit Freunden. Uns kommt spontan die Idee, ins Kino zu gehen. Gezeigt wird Klaus Lemke – Rocker aus dem Jahre 1972. Ich hatte bislang noch nie von diesem gehört und während ich in der ersten Reihe ganz außen sitze, wundere mich über die vielen Menschen, die plötzlich diesen alten Schinken sehen wollen. Ja ja, Kulstatus sagt man immer so leicht dahin, aber dieser Film hat ihn wirklich – zumindest in Hamburg, wo sich alles abspielt. „Ja, gucken und gucken, da kommt ja nichts.“

Storyboard

Auszüge aus dem flüchtig dahingeworfenen Storyboard:

„Drehort ist eine verlassene Parkbank oder eine große leere Fläche. Wenn möglich, findet die Aufnahme bei passendem Wetter statt (Regen). Der einsame Protagonist traktiert ein anachronistisch wirkendes mobiles Device oder schreibt ein paar Worte in ein analoges Notizbuch. Dabei trinkt er Bier aus der Flasche, um die der Szenerie innewohnende Tristesse zu unterstreichen. Die visuelle Anmutung orientiert sich an Dogma 95. Sofern der Regisseur im Abspann namentlich erwähnt werden muss und der Kameramann über ein ruhiges Händchen verfügt, an David Lynch. Drehtermin: KW 30.“