Bornholmer Straße
- Beitragsautor Von bosch
- Beitragsdatum 15. Dezember 2010
- 4 Kommentare zu Bornholmer Straße
- Schlagwörter Berlin, Bornholmer Straße, Fotografie, Prenzlauer Berg, Schnee, Winter
One week he’s in polka-dots, the next week he’s in stripes
‚Cause he’s a dedicated follower of fashion.
(The Kinks, „Dedicated Follower of Fashion“)
Man sieht sie jetzt überall in Berlin: Ältere Herren in Trekkingsandalen und Tennissocken. Es muss wohl wieder Fashion Week in Berlin sein.
Shows, Messe, Partys, Küsschen links, Küsschen rechts – das Modebusiness kann schon anstrengend sein. Besonders bei diesen außergewöhnlich sommerlichen Temperaturen. Zu gern würde man das verschwitzte Blüschen gegen den neuesten Hauch von Nichts auf dem Catwalk eintauschen, aber für’s Umziehen bleibt keine Zeit, denn das nächste Event lockt.
Zusammen mit all den anderen ModebloggerInnen stehe ich im Store eines spanischen Schuhherstellers, nippe abwechselnd an erfrischender Mandelmilch und Cava mit Orangenlikör und begegne Nils Bokelberg. Dieser erschien mir bislang völlig unverdächtig, irgendwelchen Moden hinterherzurennen. Trotz aller berechtigten Warnungen der Band Tocotronic hat er sich jedoch offensichtlich dem Trend zum Selbermachen angeschlossen: Nicht ohne Stolz präsentiert der Nilzenburger mir die aktuelle Kollektion seiner selbstgenähten Täschchen – ein sehr kleines Täschchen für seine Panini-Sammelbilder, ein weiteres kleines Täschchen für sein mobiles Telefon und ein größeres Umhängetäschchen im aktuellen Fußball-Look, welches Platz für die beiden kleineren Täschchen bietet.
Das gefällt mir. Die neuen Schuhe von Camper sind aber auch nicht schlecht.
Es ist noch gar nicht lange her, da plagte uns die Kälte und monatelanger Schneefall. Und es war Winter. Ständiges Ausrutschen und damit verbundene Prellungen oder Knochenbrüche sind längst verheilt. Erst jetzt, da die Sonne einmal wieder zwei Tage am Stück hinter Schäfchenwolken hervorlugt, wird gerade uns Großstädtern bewusst, wie wichtig ein unerwartetes kühles Nass inmitten eines weitläufigen Trockengebietes ist.
Wer von Oasen nicht genug bekommen kann, dem sei diese wunderbare Gruppe auf Flickr empfohlen.
Donnerstag, 27. Mai, 23.20 Uhr, Prenzlauer Berg: Zur besten Seichttalkshowzeit herrscht plötzlicher Aufruhr auf der Straße. Eine Meute von etwa 100 schwarzgekleideten Vermummten rennt die Straße entlang und schreit unverständliche Parolen. Ein paar herumstehende Bauzäune werden umgeworfen, in der Ferne eine Fensterscheibe eingeschlagen und etwa ein Meter vor unserem Fenster explodiert ein Feuerwerkskörper.
Genau so schnell wie die Meute erschien, ist sie auch wieder verschwunden. Irgendwo auf Twitter ist von einem antifaschistischen Flashmob die Rede, die Pressemeldung der Polzei spricht am Tag darauf von einer „unfriedlichen Aktion“. Nachbarn recken ihre Hälse aus den Fenstern und schütteln ihre Köpfe. Niemand hat so recht verstanden, was gerade passiert ist, und ein gassigehendes Herrchen hat Mühe, seinen verstörten Hund zu beruhigen. „Habt ihr gerade kapiert, was hier gerade passiert ist?“ „Nee.“ „Na dann, gute Nacht.“
Freitag, 28. Mai, nachmittags: Ich gehe an einem Friseurgeschäft vorbei. Es ist mal wieder Zeit, in ein solches hineinzugehen. Erst wenige Tage zuvor hat mich ein selbst stets zauselig wirkender Freund darauf hingewiesen. Seitdem habe ich bei jedem Friseur, den ich passiere, Angst, plötzlich von einer Hand hineingezogen zu werden. Heute Nacht habe ich von Rundumkennleuchten und Folgetonhorn geträumt. Diese erschienen mir nicht im Zusammenhang mit der zuvor stattgefundenen Randale vor meiner Tür, sondern waren eine Art Blaulichttransport zum Friseur.
Die Not ist groß, der „Bad Hair Day“ droht immer mehr zum Dauerzustand zu werden. Eigentlich hatte ich vor, in meiner Heimatstadt Hamburg den Barbier meines Vertrauens aufzusuchen, gebe mir aber einen Ruck. Und dies obwohl der Name „Hairworkshop“ nicht gerade nach „Was Friseure können, können nur Friseure“ klingt. Immerhin heißt er nicht „Haarmäleon“, „Fairschnitt“ oder „Haarlem“.
Der Grund, weshalb ich einen nötigen Friseurbesuch stets so lange wie möglich aufschiebe, ist die unvermeidbare Konversation mit der Dienstleisterin, während diese mir die Kopfhaut massiert sowie anschließend mein Haupthaar – möglichst behutsam – kürzt und ausdünnt. Mit Taxifahrern kann man sich wenigstens noch über das Nachtleben in der Großstadt oder die im schlechter und teurer werdenden Daimler-Benz-Vertragswerkstätten unterhalten. Das ist nicht weiter schlimm – zumal man meistens ohnehin etwas redeflussfördernd alkoholisiert auf dem Beifahrersitz platzgenommen hat. Wenn beim Friseurbesuch die Themen „Wetter“ und „Urlaub“ durch sind, geht es dann stets um unerfreuliche Dinge wie „Politik“, „Religion“, „das Abschneiden der Deutschen Nationalmannschaft bei einem der ständig stattfinden Fußballgroßereignisse“ sowie „beginnende Glatzenbildung“. Sind all diese Themen ausreichend abgehandelt, wird man zu guter Letzt auch noch zu seinem Beruf ausgequetscht. Beim nächsten Mal sage ich dann einfach: „Ich spiel im Puff Klavier.“ „So, das ist jetzt kurz genug.“