Schwimmorgel mit Hefeheizung

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Kugellager

Man wundert sich ja oft und gern. Naturgemäß zumeist über andere, zuweilen aber auch über sich selbst. Ohne am Vortag größere Mengen bewusstseinserweiternde Substanzen konsumiert zu haben, erwuch ich morgens mit dem Gedanken, wie schön es doch wäre, eine Schneeorgel mit Hefeheizung zu besitzen. Ich weiß nicht, wie ich darauf gekommen bin. Möglicherweise war dies dem übermäßigen Hörgenuss der Gouldschen Aufnahme von Bachs Kunst der Fuge am Vortage geschuldet, vielleicht lag es am nächtlichen Ausfall der Zentralheizung oder an der überraschenden Abdankung des Papstes, von der ich zum Zeitpunkt meines Erwachens freilch noch nichts wissen konnte.

Wie dem auch sei, den ganzen Tag über erfreute ich mich an diesem Ding, ganz ohne zu wissen, was ich eigentlich damit anstellen sollte. Gedanken sind normalerweise flüchtig, dieser aber war der fesselndste. Ich wollte orgeln und heizen und orgeln und heizen, immerzu. Und so machte ich mich auf, in das letzte verbliebene Fachgeschäft der tristen Kleinstadt, um das Objekt der Begierde zu erwerben. Nachdem sämtliche Modeeinzelhändler für übergewichtige ältere Damen dubiosen Läden für gebrauchte Mobiltelefone weichen mussten, verblieb nur noch ein Geschäft, dem ich eine gewisse Kompetenz für den komplexeren Bedarf zuschrieb: ein Fachgeschäft für Kugellager.

Als sei selbstverständlicher nichts auf der Welt, trug ich hier meinen Wunsch vor: „Guten Tag, ich hätte gern eine Schwimmorgel mit Hefeheizung.“ Der Verkäufer schüttelte mitleidig mit dem Kopf. Er tat dies nicht etwa, weil mein Wunsch ein ungewöhnlicher war, sondern ganz im Gegenteil. Ich kam zu spät. Nachdem dieses Produkt sich über Jahre hinweg als Ladenhüter erwies, gab es heute einen regelrechten Ansturm. „Alle ausverkauft“, so der Herr, der mir erklärte, dass heute gleich drei SHs, wie der Fachmann sagte, über den Tresen gingen. „So viele verkaufen wir sonst im ganzen Jahr nicht. Aber wir haben hier vielleicht etwas Passendes für Sie: Einen Wagenheber mit Goldrand.“ Den wollte ich nicht, auch wenn man nicht genug WGs, wie der Fachmann sagte, haben konnte – schließlich nannte ich doch bereits drei Exemplare mein Eigen. Auch wenn mich dieser Besitz in gewisser Weise beruhigte und mir in schwachen Momenten sogar zu einem leichten Glücksgefühl verhalf, so vermochte er doch meinen Schwimmorgel-Hefeheizungs-Jieper nicht im Ansatz zu lindern. Ein schwerer Schlag, um nicht zu sagen: der schwerste.

„Sei nicht traurig“, versuchte mich die Frau nach meiner Heimkehr zu trösten. „Ich habe dir deine Leibspeise zuereitet“, so sie zu mir. Und dann aß ich so viele Schlafwürste im Wolfspelz, wie ich nur konnte, und betrank mich dazu bei Schaumwein mit Bluterguss. Ein gut gemeinter, wenn auch wahrlich schwacher Trost. In Gedanken saß ich an meiner Schwimmorgel mit Hefeheizung.

Herbst ist okay

Und während wir hier gescheit daher reden, werden draußen
die Tage immer kürzer. Schon neigt sich das Jahr in den Herbst,
der bringt den güldenen Oktober, Lexicon of Love, Melancholie,
die Heiterkeit und einen Wohlgeruch.

(Rainald Goetz, Irre)

Herbst ist okay, sagen wir. Und dann denken wir an den Oktober gülden, mit seinen Blättern gelb und braun und Figürchen, gebastelt aus Kastanien, und heißen Tee und Abenden am Kamin und zweisamen Spaziergängen und all den Rilkescheiß, den der Dichter uns einst ach so erfolgreich in unsere Gehirne gepflanzt hat. Doch dann gehen wir vor die Tür und sehen das Grau allüberall und spüren den Regen, der ganz gemein so unablässig vor sich hinnieselt und vom Wind, der noch kein Sturm ist, in unsere Augen geweht wird. Dann wünschen wir uns einen letzten Sommertag, obschon es erst wenige Tage her ist, dass wir auch den Sommer verfluchten, weil die Menschen in den U-Bahnen immerzu nach Schweiß stanken.

Spärlich geschützt vor den unwirtlichen letzten Septembertagen sitzt auf dem Treppenabsatz unter einem kleinen Dachvorsprung des Museums für Kunst und Gewerbe, direkt neben dem Hauptbahnhof, ein junges Mädchen. Sie ist zu leicht bekleidet und zittert. Fahrig und routiniert zugleich schiebt sie sich den linken Ärmel hoch und führt die Nadel der Spritze in ihre Vene ein. Ich kann nicht hinsehen, wie sie sich selbst zugrunde richtet, und doch wäre ich gern stehengeblieben, um zu beobachten, ob sie, wenn sie nur all den Stoff in sich hineinpumpt, sodann, wie man es immer wieder gelesen hat, eine wohlige Wärme durchfährt, die naturgemäß auch nur von kurzer Dauer sein kann; wie alles, was uns glücklich macht, immer nur von kurzer Dauer sein kann. Protect us from what we want, und im Strom der Menschen ziehe ich vorbei. H-I-L-F-(E)!

Und dann immer wieder dieselbe, die Jahreszeit beherrschende Frage: Was man alles aus Kürbis machen kann? Da stehen sie nun diese Monster, hilflos in Euren Designerküchen, mitgeliefert in der wöchentlichen Gemüsekiste, obwohl der Kürbis rein botanisch gesehen, klar, eine Frucht ist. Für eine reine Halloweenausweidung zu schade, also wochenlang Kürbissuppe, Risotto, Salat, Auflauf, Marmelade, Muffins usw. in sich hineinschaufeln. Bis zum Abwinken immerzu Kürbis und irgendwann ist man froh, wenn das alles ein Ende hat und in der nächsten Saison geht dann wieder alles von vorne los.

Zuhause angekommen das Thermometer unter die Zunge legen und abwarten. Wie schon im vergangenen Jahr, eine leichte Untertemperatur feststellen und weil sie, die sonst eine Wärmflasche machte und Tee kochte, längst nicht mehr da ist, sich nach Fieber sehnen und nach etwas Goldenem, einem Oktober oder einen Schuss.

Scheißtext

Der Ursprung

Nehmen Sie dieses Stück Scheiße und dann einfach fangen in der Übersetzungs-Engine. Hin und wieder zurück zu bringen einfach so, um einen Schlüssel. Bemühen Sie sich völlig frei Wörterbuch werden. Dies schafft den Klang von Lehrbüchern, die Schaffung der Poesie von Spam.

Utz, Kapitel 4: Kaffeehauspsychose

Noch immer etwas niedergeschlagen von der Busfahrt, betrat Utz das kleine Kaffeehaus. Bis zum Beginn der Vorstandssitzung blieb ihm noch fast eine Stunde Zeit, und so bestellte er noch ein Kännchen Knollenblätterpilztee zu der von ihm so geliebten Kohlrabitorte. Eigentlich wollte er an diesem Ort nur noch ein wenig meditieren und ein unverständliches Mantra vor sich hinmurmeln, wie er es immer tat, wenn er in diesem Café saß und die Zeit bis zum Beginn der Vorstandssitzung des Vereins zur Pflege der Schirmmützenkultur Deutschlands e. V. überbrücken musste.

Am Tisch neben Utz saßen zwei übermäßig aufgetakelte Grundschullehrerinnen, deren Schüler ihm sofort leid taten. Jeden Tag mehrere Stunden im Dunstkreis einer brechreizauslösenden Parfümwolke zu verbringen, fördert sicher nicht das Lernverhalten von Erstklässlern, dachte Utz, während er genüsslich in seine Kohlrabitorte biss. Wie er dem unüberhörbaren Geschnatter seiner Tischnachbarinnen entnehmen konnte, sammelte ein vermutlich längst erstickter Lebensgefährte der einen Grundschullehrerin mit großem Eifer Yps-Hefte. Daraufhin die zweite: „Waren das nicht diese Comics mit diesen Extras?“ – „Ja, da gab es immer so merkwürdige Beilagen„, erwiderte daraufhin die erste, „Urzeitkrebse und so’n Zeug.“ Es folgte eine gleichermaßen detaillierte wie angewiderte Analyse der Sinnhaftigkeit der Comiczugaben, in deren Verlauf immerzu von „Beilagen“ und „Extras“ die Rede war. Utz war in seiner nicht immer glücklichen Kindheit selbst ein leidenschaftlicher Yps-Leser gewesen. Die Tage, an denen ein neues Heft erschien, waren stets seine glücklichsten. Außerdem verspürte er nicht zuletzt wegen des prägnanten Namens eine gewisse Sympathie für den gezeichneten Protagonisten der Urzeitkrebsfachzeitschrift. Angesichts des fortschreitenden Grundschullehrerinnendilettantismus, welcher sich nun nicht nur auf Urzeitkrebse, sondern schließlich auch noch auf Geld-Zauber-Maschinen, Blasrohrpistolen, Kompressionsraketen und Pupskissen sowie viele weitere „Beilagen“ und „Extras“ erstreckte, konnte Utz plötzlich nicht mehr innehalten. Unvermittelt sprang er auf und schrie, so laut er konnte, in die Parfümwolke: „Es heißt Gimmick, verdammt nochmal!“ und verließ umgehend und ohne zu bezahlen das Kaffeehaus.

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Umfrage: So ein Fortsetzungsroman macht mal mehr und mal weniger her.
Es liegt in Eurer Hand: soll Utz leben oder sterben? Eure Antwort bitte in die
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