Das Aus einer Reader-Beziehung

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Warburg-Haus, Hamburg

Es kam plötzlich, wie ein Aus oftmals plötzlich kommt. Ein paar lakonische Zeilen reichen aus, um eine langjährige Beziehung zu beenden. Fast nie sind Trennungen einvernehmlich, ein Part ist meistens der Stärkere in einer Beziehung. Es verläuft stets nach dem gleichen Muster: Anfangs war die Leidenschaft groß, aber mit der Zeit wurde sie schleichend kleiner.

Was zusammenhält, sind nur noch gemeinsame Erinnerungen, aber auch sie verblassen immer mehr. Irgendwann ist es dann ganz vorbei. Trotzdem kämpft man noch ein bißchen um die Liebe, obwohl man weiß, dass nichts mehr zu retten ist. Am Ende bleibt man traurig, wütend und allein zurück und glaubt, so werde es auf ewig bleiben.

Seit 2005 haben wir einander gehabt: der Google Reader und ich. 820 RSS-Feeds habe ich regelmäßig über ihn abgerufen. Ich konnte mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Sehr habe ich die Social-Funktion geschätzt: Personen, denen man folgte, konnten einem einzelne Artikel empfehlen. Viele großartige Menschen haben mir tolle Texte in meinen Lesefluss gepusht, auf die ich von allein niemals gestoßen wäre. Ohne Not hat Google dieses Feature bereits Ende 2011 abgeschafft. Danach war es nie mehr so wie vorher. Der Reader war eine lebende Leiche. Nur aus Gewohnheit sind wir noch zusammengeblieben – und wegen unserer langen gemeinsamen Vergangenheit: Gab mir der Reader doch immer noch die Möglichkeit, die von mir abonnieren Informationsquellen gezielt zu durchsuchen. Gestern hat der nichtböseseinwollende Internetkonzen in einer kurzen Mitteilung unerwartet das Aus für den verblieben Reader-Rumpf verkündet.

Das hat mich traurig und wütend gemacht. Ich habe eine Petition für den Erhalt des Readers unterzeichnet. Wohlwissend, dass das Ende kommen wird, wie alles irgendwann zum Ende kommen wird. Aber die Erfahrung hat gezeigt: Danach wird schon bald etwas Neues kommen. – Und dann geht wieder alles von vorne los.

Barlach will Instagram

Hans Barlach, Bildhauer-Enkel und Minderheitsgesellschafter des Bilderdienstes Instagram greift nach der Macht. Per Gerichtsbeschluss ließ er Mark Zuckerberg von der Geschäftsführung abberufen. Er wirft Zuckerberg vor, seine Privatvilla in San Francisco teilweise durch die Veräußerung von Bilderrechten der Instagram-Nutzer an die Werbeindustrie finanziert zu haben. Barlach hat Zuckerberg unterdessen das Angebot unterbreitet, das Social Network vollständig zu übernehmen.

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Symbolfoto: Skandal-Poller

Die Streitigkeiten gehen zurück bis ins Jahr 2001. Damals erbte Mark Zuckerberg Instagram von seiner verschiedenen Frau, der erfolgreichen Galeristin Ulla Zuckerberg-Unhold. Nach Übernahme des Bilderdienstes durch den Witwer, selbst ein chronisch erfolgloser Fotograf mit dem Schwerpunkt Aura-Fotografie, verließen zahlreiche renommierte Künstler wie Henri Cartier-Bresson sowie Bernd und Hilla Becher aufgrund von Unstimmigkeiten nach jahrelanger Zusammenarbeit Instagram.

„Ich bin keine Finanzheuschrecke“, gibt Hans Barlach in einem Gespräch mit diesem Weblog zu verstehen, „aber man braucht heute Know-how im Handel mit Klimazertifikaten und Warentermingeschäften mit gentechnisch manipulierten Nahrungsmitteln, um im Wettbewerb mit global agierenden Foto-Plattformen wie EyeEm oder Tadaa bestehen zu können. Sonst endet man eines Tages so wie Flickr.“ Er könne nicht mit ansehen, wie Zuckerberg ein florierendes Netzwerk durch ständige Manipulation der Allgemeinen Geschäftsbedingungen so einfach zu Grunde gehen ließe, beschreibt Barlach die Motive seines Handels.

Was Barlach mit Instagram allerdings wirklich vorhat, ist auch Kennern der Branche ein Rätsel. Seit Wochen formiert sich in den Feuilletons der überregionalen Tageszeitungen ein massiver Widerstand gegen den Investor, der in seinem beruflichen Vorleben gelegentlich auf Flohmärkten antiquarische Diaprojektoren verkauft hat. „Hans Barlach hat keine Visionen“, sagt die Instagram-Fotografin Annie Leibowitz und wirft ihm im gleichen Atemzug vor, aus dem Unternehmen eine Schraubenfabrik machen zu wollen. Nachdem auch Starfotograf Juergen Teller mit seinem Weggang von Instagram drohte, sollte Barlach in die Geschäftsführung eintreten, wandte sich heute auch Martin Parr in einem Leitartikel gegen den Eindringling: „Eine Bilderplattform ist kein Musiklabel. Bilder sind keine beliebige Ware wie Musik. Dahinter stecken Fotografen. Das sollte dieser Emporkömmling von Steinmetz-Nachfahre endlich zur Kenntnis nehmen.“

Heute wurde bekannt, dass Mark Zuckerberg den erfolgreichen Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler zum Mediator bestellt hat. Er soll zwischen den zerstritten Parteien schlichten. Hans Barlach hat sich dazu noch nicht geäußert.

Singlebörse und Finanzmarkt

Bank

Durch Zinsmanipulationen haben britische Banken der Weltwirtschaft einen Schaden von rund 14 Milliarden Euro zugefügt. Was wäre, wenn der Londoner Finanzmarkt eine Singlebörse wäre?

Die maßgeblichen Mitglieder einer Singlebörse melden regelmäßig, wie häufig sie in der vergangenen Woche Geschlechtsverkehr hatten. Aus dem Durchschnitt der genannten Aktivität wird ein Referenzwert gebildet, an dem sich die übrigen Mitglieder der Singlebörse verbindlich halten müssen. Zahlreiche der Befragten erscheinen für andere Menschen eher unterdurchschnittlich sexuell anziehend. Die meisten geben an, zehn Mal pro Woche mit einem Partner sexuell verkehrt zu haben. In Wirklichkeit haben sie jedoch gar nicht gevögelt, sondern sich höchstens gelegentlich selbstbefriedigt. Den Befragten wird uneingeschränktes Vertrauen entgegengebracht, es gibt keine Aufsicht und Regulierung. Ein willkürlich ausgewählter Kreis von Untervögelten, der jedoch gern im Bett aktiver wäre, bestimmt auf diese Weise, dass alle anderen Mitglieder der Singlebörse künftig außergewöhnlich häufig – mit oftmals unvermeidlich unattraktiven Partnern – Sex haben müssen.

Das ist aber ein komisches Prinzip, werden Sie sich vielleicht denken, und dass es so etwas ja gar nicht gäbe. Aber werfen wir einen Blick auf den Londoner Finanzmarkt:

Täglich melden Banken den Zinssatz, zu dem sie sich bei anderen Banken ohne Bereitstellung von Kreditsicherheiten Geld leihen können. Aus dem Durchschnitt bildet sich der Referenzzins Libor (London Interbank Offered Rate), an dem sich weltweit Finanzprodukte orientieren. Zahlreiche Banken geben an, sich sehr günstig am Geldmarkt finanzieren zu können. Nicht wenige stecken jedoch in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Da die Höhe des Zinses maßgeblich vom Risiko bestimmt wird, müssen sie in Wirklichkeit mehr bezahlen, als von ihnen bei der Ermittlung des Libor angegeben. Den Befragten wird uneingeschränktes Vertrauen entgegengebracht, es gibt keine Aufsicht und Regulierung. Ein willkürlich zusammengesetzter Kreis von Teils finanzschwachen Banken, der sich günstig Geld leihen möchte, bestimmt auf diese Weise, dass alle Geldanleger außergewöhnlich niedrige Renditen erzielen.

Das ist aber ein komisches Prinzip, werden Sie vielleicht denken, und sich fragen, warum Ihre Dispozinsen seit Jahren dennoch gigantisch hoch sind, und wir alle viel zu wenig Liebe machen. Das kann ich Ihnen naturgemäß auch nicht beantworten – aber morgen erkläre ich Ihnen, was das Higgs Boson ist.

Warenwelten #10: Zugaben

Viele Jahre war die größte Attraktion des Kleinstadt-Supermarktes eine Tafel, auf der Fotos aller Mitarbeiter gezeigt wurden. Genauer gesagt, war die Attraktion der „Abteilungsleiter Hartwaren“, an dem mich stets nicht nur der famose Titel erfreute, sondern auch die Tatsache, dass er der einzige Mann seiner Generation war, der außerhalb von Berlin-Mitte einen Schnauzbart trug – und er tat dies freilich ganz ohne Ironie.

Neuerdings stößt man beim Betreten der Geschäftsräume auf einen Störer der ganz anderen Art. Ein kluger Kopf der Abteilung Verkaufsförderung entsann sich des gefallenen Zugabe- und Rabattgesetzes und versucht, fortan zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Künftig wird dem Appell der Verbraucherschutzministerin Folge geleistet, weniger Lebensmittel der Entsorgung zuzuführen, und gleichzeitig wird der Absatz minderwertiger Backwaren in unermessliche Höhen getrieben. Und so kam, was kommen musste – wer statt des einen benötigten Brotes gleich ein zweites, naturgemäß nicht benötigtes Brot, erwirbt, wird mit fertiggebackenen Teigrohlingen quasi zugeschissen. Gratis versteht sich.

Man denkt sich „Oh, ein Schnäppchen“, nimmt reflexhaft gleich zwei Brote mit, erfreut sich an Umsonstrundstücken, und merkt gar nicht, dass der Supermarkt die Entsorgung der Überkapazitäten einfach nur an den Verbraucher outgesourced hat. Und dann steht man zu Hause da, mit den bereits nach einigen Stunden vollkommen vertrockneten Laiben und überlegt, ob man morgen den Tag damit verbringen will, Paniermehl zu reiben oder im Park die Enten zu füttern. Hat man beide Möglichkeiten verworfen, nutzt man das zu viel erworbene Brot und die Brötchen als Füllmaterial für die Biotonne.

Der Abteilungsleiter Verkaufsförderung klopf sich derweil selbst auf die Schulter und entscheidet, künftig alle Warengruppen als sinnvolle „Bundles“ anzubieten: Wer zwei Flaschen Wodka kauft, bekommt drei Beutel Hagebuttentee, und wer zwei Kilo Mett kauft, bekommt drei Tofu-Frikadellen kostenlos dazu. Alle sind von nun an noch glücklichere Konsumenten. Nur ich bin etwas traurig, weil ich ich beim Herausgehen entdecke, dass der Abteilungsleiter Hartwaren seinen schönen Schnauzer abgelegt hat. – Der war eigentlich das Beste an diesem Supermarkt.

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