Warenwelten #2.1: Buchkaufhaus (Alternative Take)

Illustration: lady-kinkling

Vergessen Sie alles, was Sie über Buchhändler wissen. Denken Sie jetzt nicht an muffige Antiquariate oder verschrobene Sortimentsbuchhändler, die jeden Band, bevorzugt in Leinen gebunden und mit Lesebändchen ausgestattet, liebevoll einzeln für ihre Kunden ausgewählt und zu einem großen Teil sogar selbst gelesen haben. Stellen Sie sich stattdessen ein Modegeschäft vor. Nein, nicht die ramschige Filiale einer schwedischen Kette am Rande einer Kleinstadtfußgängerzone, sondern denken Sie an Prachtmeilen in internationalen Großstädten. Denken Sie an Haute Couture, an lichtdurchflutete Präsentationsräume. Denken Sie an einladende Sitzecken mit hochpreisigen Espressoautomaten. Sehen Sie sich hier gern in Ruhe um, schließlich sollen Sie sich hier wohlfühlen.

„Das soll also ein Buchladen sein?“, werden Sie jetzt denken. Nein, natürlich ist dies hier kein herkömmlicher Buchladen wie Sie Ihn kennen – dies ist ein Buchkaufhaus. Entspannen Sie, sehen Sie sich noch ein wenig um, wenn Sie mögen, vielleicht einen Espresso oder einen Cappuccino oder einen Caffè Latte? „Ah, so sieht also ein Buchkaufhaus aus“, werden Sie möglicherweise voller entzücken denken, während Sie Ihre Blicke mit großen Interesse kreisen lassen.

Warenwelten #2: Buchkaufhaus

Dieses Einzelhandelsgeschäft könnte sich in der Prachtmeile einer jeden Großstadt oder in einem gehobenen Einkaufszentrum befinden. Die Räumlichkeiten sind großzügig angelegt und die Gänge weitläufig. Das Licht ist hell und fast einladend, aber der geflieste Boden strahlt gleichzeitig eine elegante Kälte aus. Auch eine Sitzecke mit Espressomaschine darf hier nicht fehlen. Sind wir bei Jil Sander, Escada oder gar bei Chanel?

Ein Blick in das Handelsregister verrät uns, dass es sich um die Filiale eines sogenannten Buchkaufhauses handelt. Ein Blick in die Regale verrät, dass es sich tatsächlich aber um einen Gemischtwarenladen handelt. Hier gibt es alles: Kalender, Schreibwaren, Geschenkartikel und Schokolade. Hier gibt es alles – außer Bücher. Wer hier nach einem Werk Thomas Bernhards Ausschau hält, wird immer nur Die Tochter der Pferdefrau von Jutta Beyrichen finden.

Wer sich jedoch genauer umsieht, wird aber auch an diesem Ort auf eine größere Auswahl an Druckerzeugnissen in Form von bunten Taschenbüchern stoßen. Diese werden konsequenterweise gleich nach Farben sortiert präsentiert. Alle Titel, die gerade nicht mehr in einem der zahlreichen Bestseller-Stellagen auf ihre Käufer warten, sind entweder auf einem der großen Ramschtische im Eingangsbereich zu finden oder werden in thematisch sortierten Stellagen zusammegepfercht. Die beliebtesten Rubriken sind natürlich „Beste Unterhaltung“, „Liebe & Romantik“ und „Freche Frauen“.

Wer sich freiwillig an diese Stätte des Konsums begibt, der wollte entweder eigentlich zu Jil Sander oder er sucht nach einem Präsent für einen Menschen, den er so sehr mag wie ein Loch im Kopf. Man hat aber auch schon davon gehört, dass Schaufensterdekorateure von Regalfachmärkten hier nach geeigneten Dekorationsgegenständen Ausschau halten. Freunde der Literatur indes sind hier so selten anzutreffen wie ein Vegetarier in der Metzgerei.

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