Warten auf Züge ist wie Arbeit

Drei Mal in den vergangenen Tagen nach vier Uhr ins Bett gegangen, zum Ausgleich heute vor vier Uhr aufgestanden. Es geht, wenn man muss.

Noch 20 Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges. Morgens, um fünf Uhr, wirkt der Berliner Hauptbahnhof wie frisch gebadet: Die Putzkolonnen haben ihre Arbeit bravourös gemeistert, kaum ein gehetzter Reisender ist jetzt schon unterwegs. Noch 15 Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges. Ich erwerbe eine Tageszeitung, es ist genug Zeit für ein Foto. Noch 10 Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges. Das Kaffeehaus H. Meins in der ersten Etage ist geschlossen, mein Körper verlangt jedoch nach einer Koffeinzufuhr. Lediglich die Niederlassung einer Großbäckerei bietet Heißgetränke aus gerösteten Bohnen an, welche jedoch mittels Vollautomaten zubereitet werden. Kaffeegenuss ist anders. Noch fünf Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges. Ich entscheide mich doch für den Kaffee, obwohl sein Weg in den Körper leider über den Gaumen anstatt direkt in die Vene führt. Noch zwei Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges. Wieder einmal bemerke ich, wie schlecht doch die Wege zu den Gleisen ausgeschildert sind. Es ist knapp. Noch eine Minute bis zur Abfahrt meines Zuges. Ich hetze die Rolltreppe hinunter, der Zug fährt bereits ein. Ich erreiche ihn – aber sehr, sehr knapp.

Erst Trödeln und dann Drängeln ist ja irgendwie auch so eine Unart. Warten auf Züge ist im Prinzip wie Arbeit: Je mehr Zeit man hat, desto mehr braucht man auch.

Kaffeemaschine

Ei! wie schmeckt der Coffee süße,
Lieblicher als tausend Küsse,
Milder als Muskatenwein.
Coffee, Coffee muss ich haben,
Und wenn jemand mich will laben,
Ach, so schenkt mir Coffee ein!

(Johann Sebastian Bach, BWV 211, „Kaffeekantante“)

Schluss mit den Befindlichkeitsquatsch, an dem man sowieso nichts ändern kann. Wenden wir uns wieder den irdischeren Dingen zu: Zum Beispiel Kaffeemaschinen. Neuerdings besitze ich so eine. Normalerweise laufen einem höchstens verfressene Kater oder Hunde mit Tollwut zu.

Mir ist quasi eine Kaffeemaschine zugelaufen – eine von diesen neumodischen Dingern für sogenannte Pads, die aussehen wie Teebeutel ohne Band. Praktischerweise befanden sich in dem Versandkarton gleich eine Menge verschiedener Sorten zum Ausprobieren. Ich selbst wäre damit vermutlich zwei Jahre über die Runden gekommen. Da mir die Kaffeemaschine ins Büro gesandt wurde, hielt der Vorrat naturgemäß nicht allzu lange. Selbst ganz schlimme Sorten wie Cappuccino mit Karamel oder Latte, bei denen sich selbstverständlich alle Zutaten in einem Pad befinden, fanden reißenden Absatz.

Jetzt allerdings ist mein Padvorrat erschöpft, aber die Maschine steht noch immer da. Sie wirkt ein wenig traurig im Schatten des großen Espresso-Vollautomaten. Aber dieser Eindruck scheint zu täuschen. Manchmal, wenn ich an der großen Maschine nebenan stehe, zeigt mir ein leuchtendes Kontrollämpchen an der Senseo, dass es noch jemanden geben muss, der sie betreibt. Möglicherweise verbringt ein Kollege seine kurzen Feierabende damit, Bohnenkaffee in Filtertüten einzunähen, um diesen dann tagsüber während der Arbeit, wenn ihm niemand zuschaut, heimlich zu senseoisieren. Vielleicht ist es aber auch ganz anders.

(Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Dieser Beitrag diente lediglich der Erdung.)