Hier steht ein Gedicht ohne einen Helden.
In diesem Gedicht gibts keine Bäume. Kein Zimmer
zum Hineingehen und Schlafen ist hier in dem
Gedicht. Keine Farbe kannst du in diesem
Gedicht hier sehen. Keine Gefühle sind
in dem Gedicht. Nichts ist in diesem Gedicht
hier zum Anfassen. Es gibt keine Gerüche hier in
diesem Gedicht. Keiner braucht über einen Zaun
oder über eine Mauer in diesem Gedicht zu klettern.
Es gibt in diesem Gedicht hier nichts zu fühlen.
Das Gedicht hier kannst du nicht überziehen.
Es ist nicht aus Gummi. Kein weißer Schatten
ist in dem Gedicht hier. Kein Mensch kommt
hier in diesem Gedicht von einer Reise zurück.
Kein Mensch kommt in diesem Gedicht hier atemlos
die Treppe herauf. Das Gedicht hier macht keine
Ich laufe wie ein Trottel durch mein Leben
Und du bist nicht mehr da.
Na dann eben nicht.
Es ist nur schade um die schönen Rosen.
(Element of Crime)
Wir nannten ihn den Alten oder Psycho. Er trug einen riesigen Schnauzbart und meistens Pumphosen. Regelmäßig schickte man ihn zu Seminaren, in denen kooperative Personalführung vermittelt werden sollte. Es half alles nichts. Er grüßte morgens nie: nicht wenn er morgens das Büro betrat, nicht, wenn man gemeinsam mit ihm im Fahrstuhl zum Schafott fuhr. Auch sonst sprach er immer nur das Nötigste. Neben der Weisheit, dass man aus gequirlter Scheiße keine Sahne machen könne, beglückte er seine Mitarbeiter in regelmäßigen Abständen mit seiner Rosenverkäufertheorie. Von wenigen Dingen war der Alte so sehr überzeugt wie von seiner Theorie, nach der alle nachts durch Kneipen ziehende Blumenhändler lediglich zu Tarnungszwecken mit Floristikprodukten handelten. In Wirklichkeit, so der Alte, seien das getarnte Drogendealer, die auf Zuruf eines geheimen Kennwortes harte Drogen feilböten. Das Kennwort allerdings hat uns der Alte nie verraten.
Jahre später sitze ich mit ihr in einer Kneipe in Mitte. Das Erscheinen des Rosenverkäufers ist unvermeidlich. Auf seine Frage „Wollen Sie eine Rose kaufen?“ raune ich ihm hinter vorgehaltener Hand das vermeintliche Kennwort „Oachkatzlschwoaf“ zu. Irritiert blickt er mich an und reicht mir eine Rose. Er sagt er sei Dichter, zur Pflanze gehöre ein Gedicht und umgekehrt. Der Alte hatte damals Unrecht, denke ich, außer mit der Sahne. Nun blicke ich den Verkäufer irritiert an, während mich meine Begleitung mit schönsten Rehaugen anblickt. Sie kann das sehr gut. Lehne ich das Kaufangebot ab, so könnte man mir mangelnden Sinn für Romantik unterstellen. Greife ich beherzt zu, gelte ich als Trottel, der seiner Liebsten in Kneipen Rosen kauft. Wie ich mich auch entscheide: ich kann nur verlieren.
Und so erwerbe ich zum ersten Mal in meinem Leben in einer Kneipe eine Rose, die ich natürlich nur als Beilage zu zum lyrischen Werk des Händlers verstehen will, weil man ja bekanntlich in Kneipen niemals Rosen kauft. Erwartungsgemäß ist das Gedicht von minderer Güte und in Schankwirtschaften erworbene Rosengewächse welken schneller als die Liebe.
„Schweineleberwurst“, „Bierbike“, „Stadtarchiv“. Man muss es weiter probieren – aber keine Rosen mehr kaufen.
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