Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart. Zwei Etagen „Alice im Wunderland“: Tate Liverpool bringt die perfekte Langeweile in die Hansesestadt, Kaninchen und Dalí, man kent das alles. Interessant wird es im Untergeschoss: „Lost Places“, „20 Positionen zeitgenössischer Photographie und Videokunst“, wie der Katalog verlautbart. Immer wunderbar zu sehen: die Fotografien von Joel Sternfeld, aber auch die Videoinstallation „Nostalgia“ von Omer Fast, der die Geschichte illegaler Auswanderer aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Etwas lieblos hineinkuratiert wird die Düsseldorfer Schule: die Bechers, Gursky, Ruff etc., man braucht ein paar große Namen für die Plakate an den Bahnhöfen, damit die Besucher ins Museum strömen usw.
All das wäre gar nicht nötig, denn eigentlich bräuchte es in diesem Kubus nur die eine Installation von Alexandra Ranner, die mich gleich zwei Mal innerhalb von einer Woche das Museum aufsuchen ließ:
„Schlafzimmer II/08“, 2009 – die perfekte Illusion. Von innen tönt lautstark ein Alarmsignal, ich zögere, den von außen weiß gestrichenen Raum zu betreten. Innen herrscht schummriges Licht. Im Raum: auf der einen Seite ein Schlafzimmer – Bett, Fenster und Fernseher, kein Ton. Auf der anderen Seite stehe ich und zwei weitere Besucher. Zwischen Schlafzimmer und Besuchern: Ein Spiegel, der einer sein könnte, Atmosphäre. Nichts passiert, Ratlosigkeit. Der Spiegel ist Nichts, ist Illusion. Kein Kunsthistoriker, der sich berufen fühlt, kann das, was in diesem Raum ist, und gleichzeitig nicht ist, beschreiben. Man kann es nicht sehen, man muss es erleben. Zaghaft bewege ich meine Hand dorthin, wo ich den Spiegel vermute, ein lautstarkes Warnsignal ertönt, ich schrecke zurück. Eine Dame vom Aufsichtspersonal ermutigt mich, durch den nicht vorhandenen Spiegel in das Schlafzimmer zu treten, das Warnsignal wird noch deutlicher. Ich bin drin; das Bett, die Decke, beide sind aus Gips. Es ist dunkel, es ist laut. Enervierend tönt das Alarmsignal. Auf der einen Seite des Raumes bin ich, auf der anderen Seite befinden sich die anderen Besucher – wir spiegeln einander nicht. Es ist bedrückend und faszinierend zugleich.
Eine Woche später suche ich das Schlafzimmer erneut auf, wieder bin ich mit zwei anderen Besuchern auf der sicheren, lautlosen Seite des Raumes. Wir warten, ich beobachte die anderen, nichts passiert. Dieses Mal habe ich noch mehr Freude daran, die Wirkung des Raumes auf die anderen zu beobachten. Die Ratlosigkeit in ihren Gesichtern war die Größte. Dann fasse ich Mut und gehe durch den nicht vorhandenen Spiegel. Plötzlich kommt eine andere Museumswärterin herein und herrscht mich an, nicht „hineinzuspringen“. Ich weiß nicht, ob sie die andere Seite des Raumes oder das Bett aus Gips meint, die Situation ist nun noch beklemmender. Ich verlasse die Installation ratlos. Ist sie begehbar oder bin ich ein Vandale? Möglicherweise werde ich es nie erfahren.