Warteschlangengeschichten Teil 4

Ein älterer korpulenter Herr reiht sich in die Warteschlange vor dem Geldautomaten im marmorgeschmückten Foyer eines am Hamburger Jungfernstieg gelegenen Bankhauses ein. Er ist komplett schwarz gekleidet, trägt einen eleganten Hut italienischer Machart sowie auffällig große Kopfhörer und bewegt sich im Rhythmus der für sonst niemand hörbaren Musik.

Kurz bevor er an der Reihe ist, das Bargeld aus dem Automaten zu ziehen, sagt er:

„Ich bin erregt, an diesem Automaten gewinne ich immer.“

Dies erscheint mir einleuchtend. Der vermeintliche Glückpilz setzt vermutlich immer auf dieselben richtigen Zahlen.

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Warteschlangengeschichten Teil 3

Grüner Jäger, Hamburg
Foto: Der Toco

Zwei junge Mädchen, die knapp die Volljährigkeit erreicht haben dürften, reihen sich in die Warteschlange vor einem Tanzschuppen ein. Als sie sehen, dass der Eintrittspreis wegen einer dort aufspielenden Liveband deutlich über dem üblichen Niveau liegt, sagt eine von ihnen:

„10,- Euro? Dafür bin ich zu geil.“

Ich, als zur Generation Ü-30 zählender Beobachter dieser Szene, stellte mir daraufhin die folgende Frage: Ist das Fräulein ob des Erblickens des Eintrittspreises plötzlich derartig stark sexuell stimuliert, dass sie dem Tanz in einem Musikclub eine andere körperliche Aktivität vorzieht, oder hat sich gar ein Werbeschlagwort eines großen Elektronikhändlers in der Jugendsprache so sehr manifestiert, dass Geilheit fortan als Synonym für Geiz gewertet werden darf?

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Warteschlangengeschichten Teil 2

flickr: Beck's

Foto: royal618

Der Niedergang der Bierkultur begann nicht etwa mit dem Ausverkauf der altehrwürdigen hanseatischen Brauerei in Bremen an einen Belgischen Industriebierhersteller, sondern bereits mit der großflächigen Verbreitung von goldenem Bier in transparenten Flaschen. Immerhin waren es damals noch Glasflaschen, aber diese Tatsache ändert nichts zum Guten.

Dass das herbe Pils mit seinem aromatischen Hopfenanteil immer mehr zu einer exotischen Erscheinung in einer Welt voller alkoholhaltiger Spaßgetränke verkommt, wurde mir endgültig klar, als ich mir kürzlich im Kino die Wartezeit bis zum Beginn des halbwegs anspruchsvollen Streifens mit dem Erwerb eines geeigneten Kaltgetränkes verkürzen wollte und die junge Dame vor mir folgende Bestellung aufgab:

Warteschlangengeschichten Teil 1

Eisliebe, Hamburg-Ottensen

Zwei Mütter mit quengelndem Nachwuchs stehen in der nahezu kilometerlangen Warteschlange eines beliebten Ottensener Speiseeisherstellers. Sagt die eine mit enttäuschtem Unterton: „Neulich waren wir beim Eisdealer in der Schanze. Da gab es nicht mal eine Warteschlange vor dem Laden.“

So sehen also die Leute aus, für die ein Urlaub ohne Stau auf der Autobahn kein richtiger Urlaub ist.