Dieses Einzelhandelsgeschäft könnte sich in der Prachtmeile einer jeden Großstadt oder in einem gehobenen Einkaufszentrum befinden. Die Räumlichkeiten sind großzügig angelegt und die Gänge weitläufig. Das Licht ist hell und fast einladend, aber der geflieste Boden strahlt gleichzeitig eine elegante Kälte aus. Auch eine Sitzecke mit Espressomaschine darf hier nicht fehlen. Sind wir bei Jil Sander, Escada oder gar bei Chanel?
Ein Blick in das Handelsregister verrät uns, dass es sich um die Filiale eines sogenannten Buchkaufhauses handelt. Ein Blick in die Regale verrät, dass es sich tatsächlich aber um einen Gemischtwarenladen handelt. Hier gibt es alles: Kalender, Schreibwaren, Geschenkartikel und Schokolade. Hier gibt es alles – außer Bücher. Wer hier nach einem Werk Thomas Bernhards Ausschau hält, wird immer nur Die Tochter der Pferdefrau von Jutta Beyrichen finden.
Wer sich jedoch genauer umsieht, wird aber auch an diesem Ort auf eine größere Auswahl an Druckerzeugnissen in Form von bunten Taschenbüchern stoßen. Diese werden konsequenterweise gleich nach Farben sortiert präsentiert. Alle Titel, die gerade nicht mehr in einem der zahlreichen Bestseller-Stellagen auf ihre Käufer warten, sind entweder auf einem der großen Ramschtische im Eingangsbereich zu finden oder werden in thematisch sortierten Stellagen zusammegepfercht. Die beliebtesten Rubriken sind natürlich „Beste Unterhaltung“, „Liebe & Romantik“ und „Freche Frauen“.
Wer sich freiwillig an diese Stätte des Konsums begibt, der wollte entweder eigentlich zu Jil Sander oder er sucht nach einem Präsent für einen Menschen, den er so sehr mag wie ein Loch im Kopf. Man hat aber auch schon davon gehört, dass Schaufensterdekorateure von Regalfachmärkten hier nach geeigneten Dekorationsgegenständen Ausschau halten. Freunde der Literatur indes sind hier so selten anzutreffen wie ein Vegetarier in der Metzgerei.
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Weiterführende Links:
- „An der Rabattgrenze“ ein Beitrag aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21.12.2005
- Wikipedia über die Buchhandelskette Thalia und den Buchhandel im Allgemeinen
- „Sterben die kleinen Buchläden aus?“ auf Spiegel Online am 12.10.2007
- cohen + dobernigg BUCHHANDEL – der Buchhändler meines Vertrauens in Hamburg
- Alternative Take dieses Beitrages
16 Antworten auf „Warenwelten #2: Buchkaufhaus“
Nur die aktuellen Bestseller findet man dort, nur, aber auch immerhin. Ganz schlimm sind die runden Aufkleber wie „Krimitipp“, ganz böse Falle…
Igitt.
Ich bin ja wahrlich kein Fan der Weilands, Hugendubels, Thalias & Co., aber wenn man konsequent sein möchte und die kleinen Buchläden schützen, darf man dann auch nicht bei amazon kaufen.
@Kiki: Stimmt. Ich versuche – mit Erfolg – auch auf amazon zu verzichten. Bestellt man in kleien Buchläden einen nicht vorrätigen Titel, so ist dieser meist schneller bei mir als wenn ich bei amazon bestellte. Sofern einem der Weg zum nächsten Buchladen nicht zu weit ist, sollte man gut damit leben können.
Das Buch als Deko-Artikel.
Das eröffnet doch der schreibenden Zunft völlig neue Möglichkeit:
Der Buchinhalt ist sekundär, wichtig ist die Zusammenarbeit mit einem guten Designer (und mit einem Trendscout für die Buchfarben der nächsten Saison …).
@Yulius: Das Buch als Deko? Das erinnert mich an diese Kundin in einem Buchladen.
Sehr treffend!
Verbindlichsten Dank für diese Empfehlung.
@ Cem:
Oder an Gerhard Polt (Im Buchladen)
@Neo-Bazi, stimmt :-)
[…] Impressum « Warenwelten #2: Buchkaufhaus […]
@ @ Cem:
Danke für den Link :)
Ich habe nur die Audio CD (Erwin I)
Wie wahr, wie wahr, allein der letzte Satz. Des Häufigeren war ich zuletzt gezwungen, Thalia in Münster zu konsultieren. Es gibt dort vieles. Wenngleich es andere Buchläden in der Stadt mit mehr Sortiment gibt. Aber es ist so steril, so antiseptisch. So aufgeräumt, sauber, und kaum ein Roman, der mich reizt, trifft mein Auge. Die aufgeräumten, adretten Auslegetische stapeln Bücher, die wohl überwiegend von Lesern gekauft werden, die anders lesen als ich, deren Lieblingsromane sich ähneln, ja beinahe austauschbar scheinen, und die in dünnem Papier mit labbrigem aber glänzendem Pappumschlag gebracht werden, mit bunten Umschlägen, auf denen sich oft Paare küssen. Ich mag es muffig und knorrig, ich mag spannende Hinweise von Verkäufern, die selbst leidenschaftliche Leser sind. Ich habe fast zehnmal gefragt bei Thalia – junge Verkäuferinnen, ältere Mitarbeiter. Keiner von ihnen hatte je eines der Bücher gelesen, nach denen ich suchte. Sonderlich abseitig waren sie nicht. Ich wollte niemanden auf die Probe stellen. Aber wohlgefühlt habe ich mich bei Thalia noch nie. Selbst wenn es formvollendeten, kostenlosen Kaffee gibt.
Ich mag dann doch lieber diese kuscheligen Geschäfte, welche aber leider immer seltener werden. Nicht nur bei den Buchhändlern.
@Joaquin: Vordenker Toni Mahoni hat dazu auch ein schönes Lied geschrieben. Leider wusste er damals noch nicht, wie man eine Gitarre stimmt (und hat wohl auch nicht in die kleine Musikalienhandlung gefunden, um ein Stimmgerät zu erwerben). Zum Glück hat er jetzt eine Band – mit einem Gitarristen, der weiß, wie’s funktioniert.
Lieber Herr Bosch (Sie heißen doch Bosch?), wir sind ja quasi Stadtgenossen und ja, es ist eine Tragödie. Nachdem nun auch das Antiquariat am Schulterblatt der Galao-Stricher-Natur weichen musste (immerhin gibt es die Schanzenbuchhandlung noch!) und uns ja auch bereits vor längerem die wunderbare Welt von …ach, wie hießen die den noch…nicht Sauter und Lackmann, die…ah! von der Höh…genommen wurde (ja, ich schweife etwas ab, verzeihen Sie!) wird bald nichts mehr bleiben als Wohlfeile Bücher (gehen Sie mal alle halbe Jahr durch die Bahrenfelder Str….). Das sind nämlich die, die mich am meisten aufregen. Aus PRINZIP nicht!!!! Kauf ich da. SEIT UNGELOGEN MMMMIIIIIINNNNDDDESTENS 4 Jahren verramschen die, was zu verramschen ist. ALLES MUSS RAUS! ALLES MUSS RAUS! (Aber auch seit vier Jahren AZUBI suchen….) Wohlfeil auch. Finde ich. Hochachtungsvoll. H. (ähem, kleine Anmerkung: Ihr Kommentarfeld ist aber nix für sehbehinderte…nur ‚mal so…)
Fragen Sie mal in dieser oder der Filiale dieser Buchkaufhauskette in der Europapassage unserer Stadt nach dem Freiherrn von Knigge und seinem Buch über den Umgang mit Menschen. Man erhält Marketing- und Manager-Fachpublikationen genannt, ausgehändigt oder eine lokale Ortsbeschreibung verschrieben und wird in die Richtung gedreht und angeschoben, von der die dort angestellten Menschen glauben die Bedürfnisse des Kunden befriedigt zu wissen – nur über den Umgang mit Menschen wissen diese Buchkaufhausketten-Fachverkäufer leider wenig und darum wohl auch über den Umgang mit anderer Menschen Werke. Hier sollte man mal entsprechend Holzfällen.
Ski