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Bad Decisions

Deutsches Schauspielhaus, Hamburg

Eigentlich sitzt man im Theater ja gern in der ersten Reihe. Die schlechteste Entscheidung ist naturgemäß, sich in die erste Reihe zu setzen, wenn im Theater ein Film auf einer großen Leinwand gezeigt wird.

Der Film von René Pollesch heißt ‚Bad Decisions‘ und dessen Protagonisten bekommen nichts auf die Reihe, weder auf die erste noch auf die letzte, sie reden die ganze Zeit dummes Zeug, saufen und kiffen 92 Minuten lang und vollziehen dies mit überbordenden Theaterschauspielergesten.

Die Darsteller bauen seelenruhig einen Joint, die Kamera hält lange drauf, sonst passiert nichts. Eine Szene wie man sie aus dem Film ‚The American‘ kennt, in dem George Clooney mit der größtmöglichen Sorgfalt sein Gewehr auseinanderbaut, reinigt und wieder zusammenbaut.

„Man hört dieses Pop-Lied und es ist so richtig und es ist so falsch“, sagt einer der Darsteller, während die zwei Damen neben mir nach über 60 Minuten des gleichmütigen Ausharrens ganz plötzlich hektisch den Saal verlassen, um sich den Rest des Abends von ihrem Netflix-Abo berieseln zu lassen.

Immer wieder schweifen meine Gedanken kurz ab und ich denke, wie schön wäre es, wenn jetzt Chris Dercon in die Szenerie auf einem prächtigen Pferd hineinritte, was er aber nicht tut. Dann denke ich an mein eigenes Netflix-Abo und mögliche anderweitige Berieselungen und plötzlich ertönt ein Lied von The Smiths aus den Lautsprechern, was mich wieder etwas versöhnlich stimmt, und dann geht wieder alles von vorne los.

Als Morrissey zum dritten Mal singen darf, ist der Film zu Ende und ihm wird im Abspann nicht gedankt – noch so eine schlechte Entscheidung.

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