Wie ungewohnt, nach langer Zeit mit 500 Menschen in einem Raum, dicht an dicht nebeneinander zu sitzen. Ein bißchen fühlt es sich an wie Russisches Roulette. Lange habe ich überlegt, ob ich es wirklich wagen soll, dann die Testsieger-FFP2-Masken bestellt und dann rein in den kleinen Saal der Elbphilharmonie.
Eigentlich soll das Konzert jetzt beginnen, aber die Röhrenverstärker sind noch nicht einmal auf Betriebstemperatur. Neben mir in der hintersten Reihe unterhalten sich zwei ältere Damen „Hast du schon einmal was von John Scofield gehört?“ – „Nein,“ so die andere, beide erfreut über ihre Neuneurotickets und voller Spannung darauf, was der Abend für sie wohl bringen mag. Dann geht alles ganz schnell, ein Mann schaltet die Verstärker ein, ein paar Minuten des Vorheizens und der Meister erscheint.
Da sitzt er nun, John Scofield, ganz allein auf der Bühne, nur er, der 70jährige amerikanische Jazzgitarrist. Na ja, fast, denn mit ihm sind seine Gitarre, zwei Verstärker und ein paar Effektpedale. Für die Begleitung sorgt er selbst mittels kurzer Loops, die er zu Beginn der Stücke aufnimmt. All das passiert sehr natürlich, keine stumpfen Abfolgen von Akkorden, sondern geschickt mit einander verflochtene harmonische und rhythmische Versatzstücke. Der Mann mit immer leicht angerauten Gitarrenton ist eine Legende, er spielte schon mit Miles Davis, Charles Mingus und Chet Baker. Er sagt, dass er sich freut, nach längerer Coronapause, wieder einmal auf einer Bühne spielen zu können, und zeigt die große Bandbreite – eigene Kompsitionen, Standards (‚That Old Feeling‘, Hank Williams (‚Angel of Death‘), Beatles (‚Julia‘) und Rolling Stones (‚Not Fade Away‘).
Alles ist sehr bewegend, jeder Ton ist wohl überlegt, nichts ist zu viel. So auch jedes seiner wenigen Worte an diesem Abend. Pharoah Sanders ‚The Creator Has a Masterplan‘ leitet er ein mit den Worten „Ich hoffe, den hat er wirklich.“ Das hoffe ich auch, während ich in den kommenden Tagen darauf warte, dass meine Corona-Warn-App auf rot umspringt. Danke für den Abend, und hoffentlich bis bald, Sco …
2 Antworten auf „John Scofield, 15. Januar 2021, Elbhilharmonie, Hamburg“
Warum war ich nur so lang nicht mehr hier? Und Scofield würd ich auch saugern mal sehen!
Ein Besuch lohnt sich immer hier;)
Viele Grüße
Tobi