Über die zufällige Wahl seines Platzes in dem Café, das er nur gelegentlich zu besuchen pflegte, war er sehr froh gewesen. Stundenlang hätte er der Frau gegenüber beim Trinken ihres Pfefferminztees zuschauen können. Obwohl sie noch jung war, ergraute ihr ansonsten dunkles Haar an einigen Stellen bereits im Ansatz. Man bemerkte dies jedoch nur, wenn man ganz genau hinsah. Ihm gefiel das dezente Frühergrauen, denn es erinnerte ihn an eine Dame, in die er vor langer Zeit einmal verliebt gewesen war.
Wie üblich blätterte er, während er seinen Cappuccino genoss, in der Zeitung. Sein Blick wanderte dabei unwillkürlich immer wieder zu der Frau gegenüber. Ihr schien das nicht unangenehm zu sein. Wenn sich ihre Blicke trafen, lächelten sie einander etwas verlegen zu, um sogleich wieder abzuschweifen. Dies geschah mehrmals hintereinander — eine Flirtsituation war eingetreten.
Als er jedoch unerwartet bei seiner Zeitungslektüre in einer Reportage über den schleichenden Niedergang des Kreiswehrersatzamtes im oberbayerischen Traunstein über die Wortkombination „dekorativer Eispickel“ stolperte, war er so verstört, dass er daraufhin seine Zeitung zusammenfaltete und das Café umgehend verließ.
3 Antworten auf „Dekorativer Eispickel“
Schwierig. Da hilft auch ein franzoesisch ggehauchtes ‚eispickel nicht mehr. Insofern eine gute Entscheidung. Wenn man das spiel nict gewinnen kann, spielt man eben nicht mit und geht.
Aber, seien wir ehrlich, hätte er „dekorativer Eiterpickel“ lesen müssen, wäre er wohl derart verstört geflohen, dass noch nicht einmal zum Zusammenfalten der Zeitung Zeit geblieben wäre…..
Das kann ich gut nachvollziehen. Neulich erwähnte eine fachkundige Gesprächspartnerin das Wort „Eispickelnarbe“. Wie eisiger Wind blies der Begriff mir um die Ohren. Das Herz fror mir an Ort und Stelle zu.