Hamburger Dom, Konträrfaszination

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Hamburger Dom, größtes Volksfest des Nordens, so die Veranstalter. Auf jeden Fall aber das häufigste: Frühling, Sommer und Winter. Gefühlt immer. Zuckerwatte, Riesenrad, Liebesapfel, Wilde Maus usw. Dazu aus Carmens Nebel ertönend in der Endlosschleife der Soundtrack des Ballermanns. Wer sind die Millionen, die hier für Sekunden ihr Glück zu finden versuchen?

Dennoch ein guter Ort. Jedenfalls morgens, bevor alles blinkt, wenn die jungen Männer zum Mitreisen noch schlafen. Alles so schön trist hier. Hamburger Dom, Konträrfaszination. Kann man hingehen, antizyklisch.

Ja, Panik auf Kampnagel 11.08.2014

Ja, Panik

Kampnagel Sommerfestival, ein kleinerer Raum. Die Gästeliste dünner als ein Telefonbuch, im Publikum Hornbrillen und Jutebeutel. Beim Vorprogramm erst etwas peinlich berührt sein, als da eine junge Frau zum Halbplayback etwas ungelenk tanzt. Das durfte früher nur Jochen Distelmeyer, wenn er zu 1000 Tränen tief an seiner Zigarette zog. Nach ein paar Songs jedoch fängt man ungewollt an, Sophia Kennedy und ihren plüschigen, von Erobique produzierten Disco-Pop ganz gut zu finden. Die Weintrinker an den Stehtischen beginnen zaghaft mit dem Bein zu wippen. Sie tanzt, saugt an ihrer Wasserflasche, spielt auf zwei Blockflöten gleichzeitig. Zu gern hätte man ihr noch eine Weile zugehört.

Umbaupause, Flasche Beck’s zu teuer, fahrstuhlartige Pausenmusik. Schlimm. Test Nebelmaschine. Funktioniert leider. Dann ein nicht endenwollendes Intro vom Band. Wo wir nicht sind, woll’n wir nicht hin. Ein Satz, der sich von selber singt. Ja, Panik sind stark auf der Bühne. Viel besser als im Studio. Kurze Ansagen, lange Gitarrensoli, Krachen, Rückkoppunlungen. Ja, Panik sind eine gute Liveband. Hätte man so gar nicht erwartet, wenn man nur ihre Studioalben kennt. Rocken können sie schon.

Andreas Spechtl ist so dünn, dass droht unter der Last seiner Gitarre zusammenzubrechen. Man möchte ihn füttern. Erfreulicherweise keine Antikapitalismuskritik zwischen den Songs, nur die Marken der Musikinstrumentehersteller sind abgeklebt. Viele neue Songs, keine alten Hits. Muss ja auch nicht und wiener Schmäh hilft, wenn man mal den Einsatz verpasst. Nach zwei Zugaben ist es gefühlt auch schon zu schnell vorbei. Applaus, der mitsingende Luftschlagzeugspieler neben mir wünscht sich lautstark sein Lieblingslied Nevermind. Das Licht machen sie nicht an, aber eine weitere Zugabe wollen sie auch nicht spielen. Sei’s drum. Es war gut und das reicht.

Im Abseits fangen Topjobs an. Fans von Falco und Tocotronic würden auch Ja, Panik mögen.


Das Kampnagel Sommerfestival dauert bis zum 24. August und wartet noch mit zahlreichen Highlights wie Andreas Dorau, Phantom/Ghost, Kid Koala, Die Sterne, Die Goldenen Zitronen u. v. a. m. auf. Toll.

Alltägliche Zettelbotschaft

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Nach dem Aufstehen auf dem Tisch einen Zettel mit einem stilisierten Herzen darauf finden. Früher hätte durchaus die Möglichkeit bestanden, auf diesem die bis dahin unbekannte Telefonnummer des Menschen, mit dem man zuvor die Nacht verbracht hat, vorzufinden. Heute stand dort lediglich: „Bitte Wäsche waschen!“

Das ist auch okay so, denn was nützt alle Romantik, wenn die Oberbekleidung nach Bratfett und Schweiß stinkt? Ihr müsst auch mal wieder mit in den Alltag kommen.

Otto

Otto
Otto

Das ist Otto aus meiner Nachbarschaft. Eigentlich ist er St-Pauli-Fan, seitdem ihm ein Bekannter ein T-Shirt dieses Fußballclubs geschenkt hat. Früher war er für den HSV, aber die sind ihm zu arrogant geworden, sagt er. Voller Vorfreude trägt Otto schon seit Monaten historische Weltmeisterschafts-T-Shirts, die allesamt aus einer Zeit stammen, in der einen die FIFA noch nicht nach Guantanamo verfrachtet hat, wenn man ein Stück Oberbekleidung mit dem Schriftzug „Weltmeisterschaft“ bedruckt hat, ohne dafür eine Lizenzgebühr in Höhe der Baukosten der Elbphilharmonie an den Weltfußballverband entrichtet zu haben. Bis zum Ausscheiden der Griechischen Mannschaft war Otto auch ein bißchen für Griechenland, weil er doch so gern beim griechischen Imbiss um die Ecke Gyros isst. Außerdem gehe es den Griechen gerade ohnehin nicht so gut, und deswegen können sie jede Unterstützung brauchen, so er. Das leuchtet ein, denn Fußball und Griechenland und Otto ist ja schon historisch so etwas wie eine Dreiheit. Jetzt hat Otto aber wieder beide Daumen frei – und drückt sie für das deutsche Team. Ist ja klar.