Miniatur-Wunderland

Auf der Alm da gibt's koa Sünd

Ein Oval mit einem Durchmesser von etwa 1,5 Metern. Strom an: der Zug fährt. Strom aus: der Zug hält. Es war ein Güterzug im Maßstab 1:160, Spur N. Später kam noch ein Abstellgleis dazu. Obwohl ich mir als Kind immer eine Modellbahn gewünscht hatte, war die Euphorie schnell verflogen: Dieses ewige Zugkreisen führte doch zu nichts.

Irgendwo in der Hamburger Speicherstadt auf einem der vielen Berge hinter einen Gebüsch liegt ein Paar und vögelt. Ein Fotograf hält diese Szene im Bild fest, was wiederum von einem anderen Fotografen fotografiert wird. Der Fotograf im Maßstab 1:87 trägt eine blaue Jacke, während der Fotograf im Maßstab 1:1 mit einem schwarzen Pullover bekleidet ist. Letzterer bin ich.

Wenngleich mein Herz nie wirklich für das Modelleisenbahnwesen schlug, kann ich eine gewisse Entzückung ob der zahlreichen liebevoll gestalteten Details in der größten Modelleisenbahnanlage der Welt nicht verhehlen. Züge gibt es dort übrigens auch.

Tiefbunker Hachmannplatz

Tag des offenen Denkmals. Treffpunkt: ein großer Platz hinter dem Hauptbahnhof. Niemand ist da. Ein Freund und Helfer schickt uns in die eine Richtung, um den ganzen Bahnhof herum; es war die falsche. Der zweite Polizist weiß von nichts, wir laufen den Platz mehrfach auf und ab. Noch immer niemand da, dann die Antwort: ein Hilfssheriff verrät uns den Weg zum Bunkereingang. Wir kommen zu spät, die Führung ist bereits im Gange, wir sollen eine halbe Stunde später wiederkommen, vertreiben uns die Zeit bei einem Kaffee in St. Georg, dann Rückkehr zum Bunker, die Führung ist belegt, wir sollen eine Dreiviertelstunde wiederkommen, wir lungern am Bahnhof herum, wir kehren zurück und werden endlich in den Untergrund gelassen.Wenige Meter unter der Erde, hinter 2,50 Meter dicken Betonwänden eine Parallelwelt: 1940 errichtet für 1.000 Menschen zur Unterbringung bei Bombenangriffen, nach dem Krieg genutzt als Notunterkunft. Umbaupläne für ein Kino scheiterten an den Kosten. 1965 im Kalten Krieg erweitert: 1.447 Menschen sollten zum Schutz gegen atomare, biologische und chemische Kampfstoffe bis zu 14 Tage im Bunker untergebracht werden – 16 Stunden täglich auf einem unbequemen Holzstuhl sitzend, 8 Stunden auf einer kurzen, harten Liege; Ausnahmezustand. 1978 beheimatete der Bunker Zugreisende, die ihre Fahrt wegen der Schneekatastrophe nicht fortsetzen konnten, und während der ersten Wendetage 1989 übernachteten hier Besucher aus der DDR, die in die Hansestadt strömten.  Zuletzt bereitgehalten für die Auswirkungen des Millennium-Bugs, doch nichts ist passiert am 31.12.1999, genauso wenig wie heute um 11 Uhr am Hachmannplatz über der Erde, zur verabredeten Zeit, außer, dass um 0 Uhr planmäßig der Kalender umsprang auf den 1.1.2000.

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Warenwelten #4: Tauben, Fischmarkt und Verbrecher

Zufällig führte mich mein gestriger Weg direktemang über den Fischmarkt. Ich war schon seit vielen Jahren nicht mehr dort; ist dieser Ort doch zu einer Touristenfalle verkommen, die gleich einem schwarzen Loch riesige Mengen an auswärtigen Hamburgbesuchern in sich aufsaugt, und ein paar Stunden später nichts weiter zurücklässt als bergeweise Unrat (ob ein schwarzes Loch neben Gravitationskräften auch die Fähigkeit hat, Touristen in Unrat zu transformieren, vermag ich aus physikalischer Sicht nicht zu beurteilen). Das Wassergetier, dem dieser Markt seinen Namen verdankt, wurde im Laufe der Zeit immer mehr zur Nebensache. Mittlerweile finden sich hier mehr Händler, die versuchen, stumpfe Rasierklingen, leere Batterien, kurzfristig gammelndes Obst und Gemüse sowie neuartige Autopolituren, die nicht nur den Schmutz, sondern sehr zuverlässig auch gleich den Lack des Fahrzeuges mitentfernen, an die von ihrem Reeperbahnbummel übernächtigten Hansestadtbesucher zu bringen. Nur wer ganz genau hinhört, kann irgendwo im Getümmel das vom jahrzehntelangen Marktschreien schon ganz heiser gewordene Rufen von Aale-Dieter hören, der als einer der letzten seiner Zunft noch mit Nachdruck fangfrischen Fisch anpreist.

Plötzlich musste ich stocken, als ich im Winkel meiner noch im Halbschlaf befindlichen Augen einen mir bis dahin unbekannten Marktstand entdeckte. Hier wurde lebendes Geflügel in winzigen Käfigen feilgeboten. Steckte man glückliche Legebatterienhennen in diese nur schuhkartongroßen Käfige, bekämen sie Platzangst. Steckte man andersherum das hier eingesperrte Federtier in eine konventionelle EU-genormte Legebatterie, so fühlte es sich sicher wie ein einsamer Kuhjunge in den endlosen, hügeligen Weiten der Kinowerbung und würde sofort nach Lasso, Pferd und Zigaretten verlangen. Alles, was zwei Beine und Federn hat, wurde an diesem tierfeindlichen Marktstand angeboten – so auch Tauben.

Montagscafé

Heute ist Dienstag. Dienstage sind ganz okay, jedenfalls besser als Montage. Montage taugen nicht viel. Beenden sie doch stets viel zu kurze Wochenenden und führen einen zurück in die unvermeidliche Konfrontation mit den Unzulänglichkeiten des Alltags. Aber weder das zu früh und zu lautstark ertönende Klingelgeräusch des Weckers noch überfüllte öffentliche Verkehrsmittel, in denen transpirierende Menschen dicht an dicht gedrängt befördert werden, oder gar die Absurditäten des Arbeitslebens sind das Schlimmste am Beginn der Woche. Das Schlimmste an Montagen ist, dass mein Stammcafé seinen wöchentlichen Ruhetag einlegt.


Café du passage, montags leider geschlossen

Ausgerechnet am Montag, der sich bekanntlich viel angenehmer als verlängertes Wochenende genießen ließe, ist das geschätzte Café du passage geschlossen. Nicht dass ich den Besitzern sowie dem freundlichen Personal einen wohlverdienten Ruhetag nicht gönnte, haben sie ihn sich doch durch den engagierte Betrieb der charmanten Großstadtoase redlich verdient. Es ist vielmehr so, dass mir der Entzug nicht bekommt.