Bonanza Coffee Roasters

„Don’t die Before Trying.“ Fantastic espresso at @bonanzacoffee: Ethiopian ‚Adado‘. #boschcoffee

Ein von André Krüger (@bosch) gepostetes Foto am

Berlin, Prenzlauer Berg, Oderberger Straße. In der sehr hübschen und ruhigen Straße mit zahlreichen pastellfarbenen sechsstöckigen Altbauten aus der Gründerzeit, ganz in der Nähe, wo früher die Mauer Ost und West trennte, befindet sich das Café. „Don’t die before trying“, heißt es auf dem handgemalten, mittlerweile von der Witterung merklich in Mitleidenschaft gezogenem Schild aus den Anfängen von Bonanza. 2006 waren die Gründer Yumi Choi und Kiduk Reus die ersten in Deutschland, die sich ernsthaft mit Specialty Coffee beschäftigt haben. Damals nannten sie ihr Unternehmen ganz selbstbewusst Bonanza Coffee Heroes. So steht es auch noch immer über der Eingangstür.

Betritt man morgens das Café, bemerkt man als erstes die Musik. Bei Bonanza läuft immer gute Musik: Bob Dylan, The Smiths, David Bowie, aber auch viele neue Sachen aus der Indie-Ecke. (Gerüchteweise hört man, dass anfänglich, als Kiduk noch selbst hinter der Espressomaschine stand, immerzu Pink Floyd lief.) Wenn man früh genug aufsteht, hat man die Chance, ein leckeres Croissant zu ergattern. Aber das Wichtigste ist natürlich der Kaffee. Den gibt es immer. Kaffee und keinen Schnickschnack, so könnte man das Konzept von Bonanza am prägnantesten auf den Punkt bringen.

Die Anfänge der Coffee Bar

Es hätte aber auch anders kommen können. Die beiden Entrepreneure haben sich in den Niederlanden kennengelernt und wurden schnell beste Freunde. Yumi, die in Berlin geboren wurde, studierte damals Kunst in Rotterdam. Der Niederländer Kiduk arbeitete zu dieser Zeit bereits erfolgreich als Grafikdesigner. Getrieben von dem Gedanken, etwas Eigenes auf die Beine stellen zu wollen, waren sie damals gemeinsam auf der Suche nach einer Geschäftsidee. Den Plan, eine Wodka-Bar zu eröffnen haben sie zum Glück für die Kaffeewelt schnell verworfen. Yumi ist über eine Freundin, die damals bei Monmouth Coffee in London gearbeitet hat, darauf gestoßen, dass Kaffee auch ganz anders schmecken kann, als sie es bis dahin gewohnt war. Auch ihr Geschäftspartner hatte sein koffeinhaltiges Erweckungserlebnis eher zufällig, bei Caffenation in Antwerpen.

Ausstellung: David Bowie im Martin-Gropius Bau

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Die Räumlichkeiten ein dunkler Schlauch, Besucher dicht gedrängt wie auf einem Konzert, aber Kopfhörer tragend. Die aus London importierte Ausstellung versucht, sich dem Phänomen David Bowie zu nähern. Kann das gelingen? Nein. – Zu viel Text. Kein roter Faden. Verwirrung. Wer ein paar Jahre zu jung ist, um den Pop 70er und 80er Jahre bewusst erlebt zu haben, bleibt im Vagen. Macher erschlagen Besucher mit der Vielfalt von Musik, Text, Interview, Theater, Film, Mode und Installtion. Chaos.

Daran kann man verzweifeln, muss man aber nicht. Der Audioguide leitet einen durch die Ausstellung. An den richtigen Stellen werden automatisch Musik oder Tondokumente eingespielt. Das funktioniert wunderbar. Wer sich darauf einlässt, an diese Ausstellung nicht den Anspruch eines Hauptseminars zu stellen, kann durch die mehr als dreihundert gezeigten Exponate flanieren und die Geschichte des Pop erhören, erleben und erfühlen. Die Kuratoren haben eine begehbare Collage erschaffen, die vollkommen zu durchdringen in der Kürze der Zeit unmöglich ist. Und trotzdem kann man sich daran erfreuen, vom Meister und seinen Zeitgenossen zu hören, wie sie im Tonstudio gearbeitet haben; wie Bowies grimassenschneidendes Gesicht auf zwei interagierende halslose Männcheninstalltionen projiziert wird, oder wie plötzlich Ziggy Stardust ertönt, wenn man ums Eck kommt. Aufgrund der thematischen Vielfalt, kann sich jeder aussuchen, was ihm gefällt. Glitzer und Musik.

Die Ausstellung versucht, sich dem Phänomen David Bowie zu nähern. Kann das gelingen? Ja. Aber nicht mit den Augen, sondern eher kleinerprinzmäßig. Auch wenn man die Ausstellung vielleicht nicht viel schlauer verlässt als man hinein gegangen ist, so bekommt man doch ein Gespür dafür, wie groß der Einfluss David Bowies auf die Popkultur war: nämlich sehr groß.

Der Eintrittspreis ab 14 Euro ist zwar nicht gerade knapp bemessen, aber dafür dauert die Unterhaltung auch länger als Kinofilm. Die Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau läuft noch bis zum 10. August 2014.

Urlaub in Berlin

Brunnenstraße, Berlin-Mitte

Es ist Sommer und warum im Sommer nicht dorthin fahren, wo es schön ist? Nach Berlin. Das ist naturgemäß kein richtiger Urlaub, wie man ihn im Katalog bestellt; mit Strand und Meer oder Bergen und Schnee. Ich war schon einmal hier für ein paar Jahre, es ist noch nicht allzu lange her, das ist gut, denn so bin ich, obschon hier alles ständig im Wandel ist, noch einigermaßen orientiert. Kein Strand, keine Berge, kein Ortswechselschock – das ist gut. Ich wollte nur ein paar Tage bleiben, nun sind schon ein paar Wochen daraus geworden, genau genommen Monate. Ich muss aufpassen, dass mich dieses Berlin nicht wieder kriegt, so wie es mich damals schon einmal bekommen hat, also plane ich seit Wochen meine baldige Abreise.

Es ist also kein richtiger Urlaub, mit Erholung bei einem guten Buch und viel Schlaf, wie man es sich immer vorstellt, wenn man an Urlaub denkt. Es ist nicht einmal eine Städtereise in eine der aufregenden Metropolen dieser Welt, New York oder meinetwegen Paris. Es ist einfach nur die kontinuierliche Planung meiner Abreise von einem sehr vertrauten Ort, an dem mich eigentlich nichts hält, und an dem ich bleibe, weil mich woandershin auch nichts zieht und schon gar nicht jemand. Der Rest ist überwiegend Wachzeitverbringung.

Zentrum meines sogenannten Urlaubsaufenthaltes ist dieses Mal Berlin-Mitte. Ich tue hier, was man in Berlin-Mitte zu tun pflegt: Morgens gehe ich frühstücken, irgendwas mit französischem Käse, mittags esse ich immerzu Pastrami-Sandwiches, nachmittags sitze ich in Kaffees und trinke Flat White. Abends besuche ich Restaurants, Bars, Clubs und Galerien. All dies wird nur unterbrochen von unvermeidlichen Gesprächen mit Menschen über Projekte. Projekte sind gut, denn sie haben einen definierten Schlusszeitpunkt, sie passen zu Berlin, wo an jeder Ecke etwas aufpopt, was contemporary ist: Bars, Clubs, Galerien und Beziehungen. Naturgemäß kommen die meisten Projekte nie zustande und die anderen bringen kein Geld ein. Mit Ersterem lernt man umzugehen und Letzteres wird einfach im Nachhinein als Kunst deklariert. Es ist wie immer alles eine Frage der Narration. Das Schöne an Klischees ist, dass sie so oft zutreffen, denke ich und blicke in den Spiegel und sehe einen Mann mit Vollbart, großer Hornbrille und einem Jutebeutel, in dem sich ein paar leere Notizbücher und ein Ladegerät für ein mobiles Telefon befinden.

Das Wichtigste in Mitte sind Kontakte. Man muss hier nicht nur Leute kennen, man muss die richtigen Leute kennen. Wenn ich groß bin, mache ich eine Rating-Agentur für Mitte-People auf. Als Bewertungsfaktoren fließen ein:

  • Gästelistenplätze (gewichtet nach Bedeutung der Veranstaltung): 5-20 Punkte, Zugang zur VIP-Lounge: 5 Bonuspunkte.
  • Auf der Fashion Week in der ersten Reihe sitzen: 10 Punkte, dabei ein überteurtes, aber nicht schönes Designer-Kleid tragen: 5 Bonuspunkte.
  • Über den roten Teppich auf der Berlinale gehen: 25 Punkte, Foto zusammen mit Filmsternchen aus Amerika: 5 Bonuspunkte.
  • Im angesagtesten Coffee Shop der Stadt kennen sie Deinen Namen: 10 Punkte.
  • Türsteher erkennt Dich und freut sich, wenn er Dich sieht: 15 Punkte, Türsteher lässt Dich an der Warteschlange vorbeiziehen: 5 Bonuspunkte.
  • DJ zur Begrüßung umarmen: 10 Punkte, DJ-Kumpel erfüllt einen Musikwunsch: 5 Bonuspunkte.
  • Küsschen von der Barfrau zur Begrüßung: 20 Punkte, Barfrau gibt einen Drink aus: 10 Bonuspunkte.
  • Die wichtigen PR-Agenturen der Stadt nehmen Dich auf ihren C-Promi-Verteiler auf: 10 Punkte, die Agenturen bemustern Dich mit neuartigen Drinks, Klamotten und Gadgets: bis zu 30 Bonuspunkte.
  • Mit dem VIP-Shuttle nach Hause gebracht werden: 50 Punkte.
  • Eine Galerie trägt Deinen Namen: 100 Punkte.

All das multipliziert man mit dem Klout-Score, der versucht, die Bedeutsamkeit von Personen in Social Networks zu erfassen. Das Ergebnis hat wie bei Ratings zur Folge: Wer hat, dem wird gegeben – noch mehr Gästelistenplätze und manchmal auch falsche Freundschaften mit Menschen, die man nicht mag, und die einen auch nicht mögen, aber einen ähnlich hohen Mitte-Score aufweisen.

Und während ich auf einer der vielen Bürowärmungszelebrationen herumstehe und über einen fancy Namen für meine Menschenbewertungsagentur nachdenke, um einem der vielen Geschäftsengel möglichst viel Kapital aus dem Ärmel zu leiern, entdecke ich an der Bar eine schöne Frau in einem schönen Kleid. Wir lächeln einander zu und gehen auf die Dachterrasse. Außer uns ist nur noch ein Heizpilz da; ich sage, ach wie romantisch, dann plötzlich küssen wir uns leidenschaftlich. Anschließend verrät sie mir ihren Namen und sagt, dass sie Atomphysikerin sei und schon immer mal jemanden mit Bart küssen wollte. Das Experiment ist gelungen. Zwei Sätze, noch ein Kuss, kein Austausch von Kontaktdaten. Berlin-Mitte, ein immerwährender Karneval. Und weiter zur nächsten Verabredung.

Man weiß, dass man sich von so einem Ereignis nicht aus der Bahn bringen lassen darf, genau wie man sich niemals in DJanes, Türsteherinnen, Agenturkolleginnen und Bloggerinnen verlieben darf. Visier herunterklappen und weiter. Trotzdem denke ich plötzlich, dass Berlin ja gar nicht so schlecht ist, wie alle immer sagen, also, wie ich immer sage, und dass hier ja wohl doch einiges möglich ist usw. Und wie ich mich dabei ertappe, mir die Hauptstadt schön zu reden, folgt die Erdung in Form eines dicken Türstehers einer Bar, die eigentlich ein viel zu kleiner Club ist. Es ist nicht mein erster Besuch hier und trotzdem habe ich immer ein ungutes Gefühl, wenn jemand an der Tür steht, den ich nicht kenne, und, was noch schlimmer ist, der mich nicht kennt. Was ich mit dem Laden zu tun hätte, fragt er mich, und ich antworte wahrheitsgemäß, dass ich hier gelegentlich Getränke trinke und seltener, so es die Umstände zuließen, auch tanze. Dem Türsteher gefällt die Antwort nicht, aber vor allem gefalle ich ihm nicht und es tritt eine Art Verhörsituation, für die man Berlin, insbesondere aber die Berliner Türsteherschaft schnell hassen lernt. Er hält mich für einen Werbefuzzi, und er scheint Werbefuzzis nicht zu mögen. Ob ich in einer Agentur arbeite, fragt er und ich setze mein Pokerface auf und sage nein, was nur noch halbrichtig ist. Er hat Menschenkenntnis, sonst wäre er kein Türsteher, und bohrt weiter. Ob ich in einem Internetunternehmen arbeite. Ich verneine erneut. Was ich denn mache, will er wissen. Ich bin Autor, sage ich, was ebenso halb gelogen ist, wie meine Auskunft zu meinem Werberdasein, aber das ist egal, die Antwort scheint ihm zu gefallen. Er lässt mich endlich in den Laden, der viel zu voll und viel zu laut und viel zu verraucht ist. Und ich frage mich, wozu das alles, und ärgere mich, dass ich die unwürdige Türsteherprozedur über mich habe ergehen lassen und trinke kein Getränke und tanze keinen Tanz und verlasse nach wenigen Minuten den Laden wieder, um unangeschnallt im Taxi durch den Berliner Sommerregen dorthin zu fahren, was ich gerade mein Zuhause nenne, was aber kein Zuhause ist, weil ich hier nur Gast bin. Und während ich im Taxi sitze, denke ich, dass es doch alles nicht so doll ist in diesem Berlin und dass es Zeit wird, die Stadt wieder zu verlassen, bevor sich der Running Gag meiner Anwesenheitspermanenz in meinem Freundeskreis manifestiert. Und irgendwann werde ich zurückkommen, weil ich es eigentlich ja mag, und dann geht wieder alles von vorne los.

 

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Diesen Text habe ich gern für das wunderbare Magazin BLANK geschrieben. In Ausgabe 01/2012 wurde er veröffentlicht. Die vollständige Ausgabe kann hier heruntergeladen werden.

Occupy Straßenkreuzung

Hasenfüßig warten sie, bis das Gewitter vorüber zieht: 30 Menschen der selbsternannten 99 Prozent. Sie legen keine Kaufhausbrände, nicht einmal eine Mittelklasselimousine zünden sie an. Sodann stellen sie sich auf eine vielbefahrene Straßenkreuzung in Berlin-Prenzlauer Berg, blasen in Trillerpfeifen, schlagen auf Trommeln und bringen den Verkehr zum Erliegen. Sie sind wütend, halten aber ihre Transparente so, dass man kaum erkennen kann, warum eigentlich. Sie sind gegen steigende Mieten und wollen ein Recht auf Stadt etc., so ihre Schriftzüge. Immerhin haben sie ihre Demonstration nicht angemeldet.

Ich bleibe kurz stehen und fühle mich spontan solidarisch mit den Demonstranten, weil sie natürlich irgendwie recht haben mit ihren Anliegen. Dieses Gefühl verstärkt sich, als mich ein gepanzerter Polizist sehr bestimmt am Überqueren der Straße hindert und mir eine Teilnahme an der Demonstration untersagt. Ich will lediglich die Straßenseite wechseln.

Einen Moment später wundere ich mich über die diffusen Forderungen der Demonstranten. Es ist einfach, gegen etwas zu sein. Zu formulieren, wie man etwas gern hätte und wie man dorthin gelangt, ist schwierig. (In allen Bereichen des Lebens.) Wer Bundespräsident werden will, sollte sich hüten, die Anhänger der Occupy-Bewegung als naiv zu bezeichnen. Ich will nicht Bundespräsident werden.

Nach etwa zehn Minuten bittet die Polizei via Lautsprecherdurchsage höflich um Räumung der Fahrbahn. Die Okkupierer kommen dem gern nach und die Fahrgäste, die in den Straßenbahnen festsitzen, können endlich heim in ihre überteuerten Mietwohnungen fahren. Derweil ziehen die Demonstranten weiter zur nächsten Straßenkreuzung. Das Raubtier Kapitalismus lässt sich von Trillerpfeifen und Trommeln nicht zähmen.