Backwahn

Menschen entwickeln in ihrem Leben sonderbare Verhaltensmuster. So auch er. Während er es früher liebte, bei einem guten Handwerksbäcker frische Brötchen zu erwerben, buk er in letzter Zeit immer häufiger selbst. Wie die meisten anderen Dinge auch, konnte er dies zwar nicht sonderlich gut, aber es hatte irgendwie eine beruhigende Wirkung auf ihn. Immer wenn ihn die Melancholie beschlich, und das tat sie oft in letzter Zeit, knetete er wie ein Berserker Hefeteig.

Immer häufiger träumte er davon, irgendwann einmal eine Großbäckerei zu eröffnen. – Mittelmäßig schmeckende Backwaren, aber dafür Unmengen an zu knetendem Teig. Ja ja, das wär’s.

Es gibt auf Erden nicht nur den Einen

Nur nicht aus Liebe weinen,
es gibt auf Erden nicht nur den Einen.“
(Zarah Leander)

Du denkst, es gäbe immer nur die eine oder einen: Nur das eine Café, in das man gehen kann. Nur das eine Sofa, auf dem man sitzen kann. Nur die eine Stadt, in der man leben kann. Nur den einen Mensch, den man lieben kann.

Und plötzlich, wenn Du gar nicht mehr daran glaubst, dass so etwas überhaupt möglich ist, stehst Du ganz unvermutet vor ihr: der anderen Bäckerei, die genau so gut ist wie die, von der Du immer glaubtest, sie sei die einzig Wahre. Natürlich ist sie anders und es gibt hier vielleicht keine Splitterbrötchen, aber dafür sind die Schokocroissants die besten, die Du je gegessen hast.

Herrliche Backwaren gibt es auch in der Bäckerei Siebert, in der Schönfließer Straße 12. Montags ist geschlossen, an allen anderen Tagen eine Warteschlange vor der Tür.

Warenwelten #9: Schrotbrot

Manchmal braucht es nicht viel, um mich als Kunden ein bißchen glücklicher zu machen. Bei den regelmäßigen Einkäufen bei meinem neuen Lieblingsbäcker Hacker in der Stargarder Straße pflege ich wochentags eine kleine Auswahl an köstlichen Brötchen zu erwerben: „Einen Schusterjungen, ein Vollkorn, eine Schrippe – und ein Mohn“, bestelle ich voller Vorfreude auf die sich stets anschließende Frage „Brötchen oder Hörnchen?“ In einer Welt voller Shitstorms an allen Ecken und Enden sind es doch immer wieder die kleinen Dinge, an denen es sich zu erfreuen gilt – und sei es, nur an der immer wiederkehrenden Rückfrage der Bäckersfrau, die etwas Verlässlichkeit in die sich immer schneller zu drehen scheinende Welt bringt.

Heute beförderte mich eine Abweichung von meinem gewohnten Kaufverhalten in die Riege der Stammkundschaft: Ich bestellte statt des liebgewonnenen Brötchensortiments ein Schrotbrot – schließlich hat der Bäcker sonntags geschlossen und ich muss über das Wochenende mit Backwaren versorgt sein. Ob dieser ungewohnten Order fiel der Dame hinter der Theke die kleine Brötchentüte mit dem Aufdruck „Hacki unser Bäcker, bei dem schmeckt’s immer lecker“ aus der Hand und sprach verwundert: „Na, da staun ick aba …“ Wer um die Spröde der Berliner Bäckereifachverkäuferinnen weiß, der ahnt, dass diese Worte einem Ritterschlag gleichkommen.

Wochentags bevorzuge ich übrigens Mohnbrötchen.

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