Warteschlangengeschichten Teil 5

Sie fahren eine Rolltreppe herunter und bleiben danach stehen. Sie verlassen einen Personenaufzug und bleiben danach stehen. Sie verlassen eine U-Bahn und bleiben danach stehen. Einfach so, kein Schritt mehr, als hätte sie der Blitz getroffen. Hinter ihnen bricht vollkommen unerwartet das Chaos aus.

So entstehen Warteschlangen aus dem Nichts. Was bringt diese Leute nur dazu, einfach stehenzubleiben?

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Mehr Warteschlangengeschichten: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4

Sitzblockade (*)

Diese Sitzposition ist mir zutiefst zuwider. Immer häufiger sind in Cafés dem Anschein nach erwachsene Frauen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren dabei zu beobachten, wie sie einen Fuß auf die Sitzfläche ihres Stuhls stellen. Stoisch halten sie dabei das angewinkelte Bein mit beiden Armen fest umschlossen. Ununterbrochen versuchen sie währenddessen verkrampft mädchenhaft ihr Gegenüber anzulächeln und reißen ihre Augen dabei so weit auf, als träte jeden Moment eine totale Sonnenfinsternis ein. Vielleicht haben sie aber einfach nur ihre homöopathischen Tröpfchen zu hoch dosiert. Niemals vergessen sie, ihren Kopf ganz sanft im 15 Grad Winkel zur Seite zu neigen, und sobald die ersten blauen Bänder wieder durch die Lüfte flattern, streifen sie, als sei selbstverständlicher nichts auf der Welt, ihre Korkfußbettsandalen ab, damit ihre türkisfarbenen Zehenringe besser zur Geltung kommen.

Warum versteht Ihr nicht, dass wir das nicht sehen wollen?

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* Sitzblockade war ursprünglich nur der Arbeitstitel dieses Beitrages. Da er aber so wunderbar in die Zeit Rund um die Demonstrationen am Rande des G8-Gipfels in Heiligendamm passt, und mir gerade keine bessere Überschrift einfällt, belasse ich es einfach dabei.

Blümeranz

DruckverbandBlümerant ist ein so wunderschönes Wort. Es ist eine Eindeutschung aus dem Französischen und bedeutet soviel wie bleu mourant, also sterbendes (blasses) Blau. Umgangssprachlich bedeutet es flau, unwohl, übel (ein -es Gefühl; mir ist ganz b. [zumute]) und ist leider vom Aussterben bedroht. Alleine deswegen wollte ich schon immer einen Beitrag schreiben, in dem es vorkommt, leider fiel mir bisher kein passender Kontext ein.

Seit heute ist es aber anders. Ich war gerade bei der Blutspende. Das ist normalerweise eine komplikationsfreie Angelegenheit. Man geht ins Krankenhaus, füllt einen Fragebogen aus, lässt sich einen halben Liter der roten Flüssigkeit aus den Adern zapfen und erhält anschließend als Aufwandsentschädigung eine überschaubare Menge Bargeld sowie ein gesundes Frühstück in Form eines Käsebrötchens, einer Knackwurst und eines Apfels. Ganz nebenbei tut man noch ein gutes Werk, indem man sein Blut denen spendet, die es gerade nötiger brauchen, und bereits nach kurzer Zeit gleicht der eigene Körper wie ein Wunder der Natur die fehlenden Zellen von allein wieder aus.

Warteschlangengeschichten Teil 4

Ein älterer korpulenter Herr reiht sich in die Warteschlange vor dem Geldautomaten im marmorgeschmückten Foyer eines am Hamburger Jungfernstieg gelegenen Bankhauses ein. Er ist komplett schwarz gekleidet, trägt einen eleganten Hut italienischer Machart sowie auffällig große Kopfhörer und bewegt sich im Rhythmus der für sonst niemand hörbaren Musik.

Kurz bevor er an der Reihe ist, das Bargeld aus dem Automaten zu ziehen, sagt er:

„Ich bin erregt, an diesem Automaten gewinne ich immer.“

Dies erscheint mir einleuchtend. Der vermeintliche Glückpilz setzt vermutlich immer auf dieselben richtigen Zahlen.

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