Zufällig führte mich mein gestriger Weg direktemang über den Fischmarkt. Ich war schon seit vielen Jahren nicht mehr dort; ist dieser Ort doch zu einer Touristenfalle verkommen, die gleich einem schwarzen Loch riesige Mengen an auswärtigen Hamburgbesuchern in sich aufsaugt, und ein paar Stunden später nichts weiter zurücklässt als bergeweise Unrat (ob ein schwarzes Loch neben Gravitationskräften auch die Fähigkeit hat, Touristen in Unrat zu transformieren, vermag ich aus physikalischer Sicht nicht zu beurteilen). Das Wassergetier, dem dieser Markt seinen Namen verdankt, wurde im Laufe der Zeit immer mehr zur Nebensache. Mittlerweile finden sich hier mehr Händler, die versuchen, stumpfe Rasierklingen, leere Batterien, kurzfristig gammelndes Obst und Gemüse sowie neuartige Autopolituren, die nicht nur den Schmutz, sondern sehr zuverlässig auch gleich den Lack des Fahrzeuges mitentfernen, an die von ihrem Reeperbahnbummel übernächtigten Hansestadtbesucher zu bringen. Nur wer ganz genau hinhört, kann irgendwo im Getümmel das vom jahrzehntelangen Marktschreien schon ganz heiser gewordene Rufen von Aale-Dieter hören, der als einer der letzten seiner Zunft noch mit Nachdruck fangfrischen Fisch anpreist.
Plötzlich musste ich stocken, als ich im Winkel meiner noch im Halbschlaf befindlichen Augen einen mir bis dahin unbekannten Marktstand entdeckte. Hier wurde lebendes Geflügel in winzigen Käfigen feilgeboten. Steckte man glückliche Legebatterienhennen in diese nur schuhkartongroßen Käfige, bekämen sie Platzangst. Steckte man andersherum das hier eingesperrte Federtier in eine konventionelle EU-genormte Legebatterie, so fühlte es sich sicher wie ein einsamer Kuhjunge in den endlosen, hügeligen Weiten der Kinowerbung und würde sofort nach Lasso, Pferd und Zigaretten verlangen. Alles, was zwei Beine und Federn hat, wurde an diesem tierfeindlichen Marktstand angeboten – so auch Tauben.