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Herbstberlin
- Beitragsautor Von bosch
- Beitragsdatum 30. September 2011
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Ich bin Nichtraucher. Trotzdem lasse ich mich von der Zigarettenindustrie zu einer Bootsfahrt einladen. „Rauchen kann tödlich sein“, steht auf dem Ticket, aber ich hatte nicht vor, die Abgsase des Schiffsdiesels zu inhalieren.
Samstag, 10. Juli 2010, 11.30 Uhr, Treptower Hafen: etwa zehn größere Ausflugsdampfer stehen bereit, am Checkin eine kurze Warteschlange von überschaubaren 50 Personen – ein Double von Paris Hilton, ein paar tätowierte Jungs und drei Elektromädchen mit goldenem Bier in der Hand. Auf dem Ticket steht auch: „Einlass ab 18 Jahren. Bitte Ausweis mitbringen.“
Meinen Ausweis habe ich leider nicht dabei. Nicht, dass ich mich prinzipiell dieser Bitte widersetzen wollte, wie es vielleicht naheliegend erscheinen mag, sondern weil ich die Identitätskarte schlichtweg vergessen habe. Dennoch: Der Text klang in meinen Ohren eher wie eine Bitte. Wäre ein Personalausweis Voraussetzung für die Teilnahme an dieser Dampferfahrt gewesen, hätte man als Texter auch schreiben können: „Einlass nur mit Personalausweis“, dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass ich an ihn gedacht hätte, etwas größer gewesen.
Wie dem auch sei, es ist mein Fehler, dass ich den Ausweis nicht dabei habe – dennoch hätte ich trotz meines jugendlichen Aussehens damit gerechnet, mit nunmehr 33 Jahren durchgewinkt zu werden, zumal die Promotiondamen am Checkin lediglich einen sehr flüchtigen Blick auf die Dokumente der Damen und Herren vor mir warfen. Aber: Sie haben ihre strikten Anweisungen.
Die Dame hinter dem Schalter kann natürlich nichts dafür, wie meistens niemand etwas dafür kann, wenn etwas nicht so funktioniert, wie es funktionieren sollte. Etwas mehr Flexibilität und Problemlösungskompetenz ist angesichts der Hitze vielleicht auch zu viel verlangt – ich werde wieder nach Hause geschickt. Mir tut meine Begleiterin leid, deren Vormittag ich nun etwas verdorben habe. Aber die Tabakindustrie wird auch trotz Bötchenfahrt baden gehen, wenn das brutalstmögliche Rauchverbot erstmal kommt – und ihre unflexible Promotionbude hoffentlich gleich mit ihr.
Der Spreepark in Berlin-Treptow: Kaum ein Ort wirkt so verlassen wie dieser stillgelegte Freizeitpark. Von seiner Geschichte handelt der sehenswerte Dokumentarfilm „Achterbahn“, über den ich an anderer Stelle schon einmal geschrieben habe.
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