Umckaloabo

Umckaloabo

Wenn ich bislang an Urlaub gedacht habe, dann habe ich an Sonne, Strand, Palmen, aufregende Städte oder von mir aus auch an Island gedacht. All dies sind eher teurere Vergnügungen.

Sollte ich demnächst eine Auszeit von meinem Alltag benötigen, wird mich mein Weg nicht ins nächste Reisebüro, sondern in die Apotheke meines Vertrauens führen: 20 Gramm des Auszugs aus Pelargonium-sidoides-Wurzeln sind bereits für bescheidene 9,- Euro zu haben. Wenn ich künftig an Urlaub denke, denke ich an Umckaloabo. Viele schwören ja darauf.

Madeira

Tage vorher wache ich des Nachts immer wieder vom demselben Alptraum schweißgebadet auf: Ich bin ein Pauschaltourist. Um mich herum dicke Leiber, die am Pool ihre Liege mit einem Handtuch markieren und sich kurzbehost und hawaiihemdbekleidet bereits zum Frühstück ölige Würstchen auf ihre Teller stapeln.

Doch bereits nach ein paar Tagen auf dem portugiesischen Eiland haben sich diese Befürchtungen in Luft aufgelöst. Schlimm sind nur die Engländer von Tisch 4, die sich am Frühstücksbuffet massenweise mit selbstgeschmierten Sandwiches für den gesamten Tag eindecken, und die Passagiere der zahlreichen Kreuzfahrtschiffe, die stundenweise über Madeira herfallen, um literweise Galão in sich hineinzukippen.

Abgesehen davon ist es dort ganz großartig. Nicht nur, dass auf der Insel das gesamte Jahr über Frühling ist; die Inselgruppe weiß mit zahlreichen Attraktionen abseits von Madeirawein, Poncha und Degenfisch mit Banane zu locken:

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In Sichtweite befindet sich die eine Inselgruppe, die drei Desertas (Wüsteninseln). Aufgrund von Frischwassermangel, Trockenheit und Abgeschiedenheit sind diese freilich unbewohnt.

Die charakteristische Schuhmode hat den unerwünschten Nebeneffekt, dass sich alle Frauen ab etwa ihrem 40. Lebensjahr einer intensiven orthopädischen Behandlung unterziehen müssen, um ihren inseltypischen Schiefgang zu korrigieren. Im besten Falle führt das Ablegen des extrem hochhackigen Schuhwerks zu einer Kompensation der in der Hauptstadt Funchal überwiegend steilen Straßenverläufe. Im Falle eines erfolglosen Behandlungsverlaufs sehen die Frauen ohne ihre geliebten High-Heels  ziemlich schräg aus.

Am meisten zu beneiden ist die Atlantikinsel jedoch wegen ihrer hervorragenden Presselandschaft.

Abwechslungsreich, interessant und gut geschrieben sind hier die Zeitungen. Als Urlauber könnte man glatt neidisch werden; ihm bleibt lediglich der Import eines Presseproduktes, das nicht nur vom Vortag ist, sondern auch fast so viel kostet wie ein Monatsabonnement daheim.

Madeira ist das portugiesische Wort für „Holz“ – der Stoff aus dem die Zeitungen sind.

Hätten wir in Deutschland so gute Zeitungen und so begeisterte Leser, gäbe es keine Medienkrise.

Am liebsten würde ich sofort wieder zurück auf die Insel. Meine restlichen Urlaubsphotos finden sich hier.

Winterfrische auf Rügen – Teil 4: Königsstuhl

Man kann nicht immer nur spazierengehen. Manchmal muss man auch hinaus auf die hohe See. Am besten auf einem Ausflugsdampfer. Wer einmal eine Reise auf Adler Mönchgut tat, der weiß, dass einen nicht nur das milde Reizklima an der Ostsee, sondern auch „Lieder so schön wie das Morden“, in denen unablässig die Pracht der mecklenburgischen Insellandschaft besungen wird, abhärten können.

... auf dem Ausflugsdampfer
Auch die anderen Fahrgäste hatten ihre Freude auf dem Ausflugsdampfer.

Vom Schiff aus hat man einen herrlichen Blick auf die berühmten Kreidefelsen und einen noch herrlicheren Ausblick auf die Mitreisenden, welche auch hier bevorzugt im Partnerlook anzutreffen sind. Außerdem bringt so eine Ausfahrt nicht nur Abhärtung, sondern auch Sicherheit: Caspar David Friedrichs Lieblingskreidefelsen sind längst im Meer versunken. Sie sind jedoch nicht unter der Last der spazierengehenden Touristen zusammengebrochen, wie der Anblick des obigen Herren vielleicht vermuten ließe, sondern werden nach und nach von extremen Niederschlägen dahingerafft.

Bevor das dem Untergang geweihte Eiland allerdings komplett versinkt, sollte man noch einmal Herrn Boys Ratschlag folgen und in den Binzer Bierstuben Fisch essen. Diese Erinnerungen wird mir niemand nehmen können, auch wenn sich das Meer die Insel längst zurückgeholt hat.

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Weitere Folgen meines Reiseberichtes finden sich hier.

Winterfrische auf Rügen – Teil 3: Prora

KdF-Seebad Prora, Rügen

Binz ist der wahrgewordene Aufbau Ost. In weiße Farbe getauchte Strandvillen versprühen hier noch immer den Badeortcharme vergangener Jahrhunderte. Einzig der Ortsteil Prora vermag die Ostseeidylle zu stören. Prora, allein schon dieser Name. Sozialistisch klingt er irgendwie, wenn nicht sogar nationalsozialistisch. Dabei handelt es sich tatsächlich gar nicht um die Wortneuschöpfung eines diktatorischen Regimes, sondern ganz harmlos um die Bezeichnung der umgebenden Landschaft.

Bekannt ist Prora vor allem für eine gespenstische Ruine, die auch „der Koloss von Prora“ genannt wird: eine 4,5 km lange Gebäudekette mit sechs Stockwerken, welche die Köpfe der nationalsozialistischen Freizeitorganisation „Kraft durch Freude (KdF)“ ersannen. Vom Strand aus betrachtet ist die größte bauliche Hinterlassenschaft des „Dritten Reiches“ von Bäumen verdeckt und wirkt unscheinbarer, als man es sich der Beschreibung nach vielleicht vorstellt. Dennoch geht von diesem Gebäude etwas Bedrückendes aus, sodass nicht einmal die wohlwollende Tourismuszentrale es wagte, Prora als Ortsteil mit „sprödem Charme“ anzupreisen.

Im „Seebad der Zwanzigtausend“ sollten 20.000 Menschen gleichzeitig für einen geringen Preis jeweils zwei Wochen in Zimmern von 2,5 mal 5 Metern Größe mit Seeblick Urlaub machen. Nachdem das NS-Regime die Organisationen und Parteien der Arbeiter 1933 zerschlagen hatte, versuchte es, die Arbeiterklasse für seine Kriegs-, Lebensraum- und Rassenpolitik einzunehmen. KdF-Führer Robert Ley hatte also weniger die Erholung im Blick als Gleichschaltung und Kontrolle. Die Tagesabläufe der Urlauber sollten streng geregelt werden: von der gemeinsamen Einnahme der Mahlzeiten über organisierte Schwimmkurse und Leibesertüchtigung bis hin zum uniformen Strohhut für die Damen wollten die Nationalsozialisten nichts der individuellen Gestaltung des Urlaubers überlassen. Zur Bekanntgabe der Uhrzeiten der jeweiligen Aktivitäten war die Anbringung von Lautsprechern in allen Zimmern geplant.

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