Kreuzung

Einmal falsch abgebogen und schon ist alles vorbei. Jetzt nicht für den Lastwagenfahrer, wohl aber für den von ihm übersehenen älteren Herrn. Genau zwei Jahre ist der Unfall her. Noch immer kommt seine Witwe regelmäßig an die Unfallstelle und legt Blumen nieder und zündet eine Kerze an. Immer wieder erneuert sie auch den Zettel in der Klarsichtfolie. Er erinnert an den „lieben Ehemann, Vater, Opa und Schwiegervater“.

Täglich komme ich an der Todeskreuzung entlang. Wie schnell alles zu Ende sein kann: Schnell.

Wasserhahnkühlerfigur

Wieder einmal sitzen die führenden Köpfe des Automobilkonzerns ratlos zusammen. Die Absatzzahlen sind akut rückläufig. Allen Beteiligten ist klar, dass dringend eine Innovation her muss, die das Produkt emotionalisiert und die Verkaufszahlen merklich steigert. Da kommt Herrn Schmidt aus der dritten Etage die rettende Idee: „Warum nicht einfach unsere Fahrzeuge mit »Sonderausstattung Kühlerfigur Wasserhahn« anbieten?“

Ein Gedanke, der gleichermaßen einleuchtend wie einfach ist. Wer schon länger dabei ist, zögert jetzt nicht, seine Freunde und Verwandten anzurufen, um ihnen zu raten, Aktien des Automobilkonzerns zu ordern. Die Drähte laufen heiß, die Kurse explodieren.

Wer kennt den Weg?

Am allerschönsten war es doch zu Haus,
Und doch zog’s mich einst in die Welt hinaus.
Und in der Ferne suchte ich mein Glück,
Wer kennt den Weg, den Weg zurück.

(Johnny Cash/Günter Loose)

In der U-Bahn neben mir sitzt eine etwas hilflos wirkende alte Frau. In ihrer Hand ein bereits im Ansatz verwelkter Blumenstrauß und ein kleiner Zettel mit ein paar unlesbaren Worten darauf. Sie fragt mich nach dem Weg zu einem Friedhof, aber ich kann sie nicht verstehen.

Sollte ich je wieder in einem Bewerbungsgespräch nach meinen Schwächen befragt werden, so antwortete ich, dass ich die Erläuterung des Liniennetzplanes der Berliner Verkehrsbetriebe auf Griechisch jedenfalls nicht so gut beherrsche.

Tram

Neben dem Doppeldeckerbus (natürlich oben, ganz vorn sitzend) ist die Straßenbahn das mir liebste Transportmittel im öffentlichen Nahverkehr. In meiner Heimatstadt Hamburg wurde diese leider bereits 1977 eingestellt; mittlerweile denkt der Senat allerdings – trotz Finanzkrise – über die Wiedereinführung nach. Aber intensives Nachdenken schadet nicht – besonders in Krisenzeiten.

Wenn immer möglich, ziehe ich eine Fahrt mit der Tram der S- oder U-Bahn vor. So auch heute. Man sieht so viel mehr vom urbanen Leben. Allerdings musste ich bei meiner heutigen Fahrt unfreiwillig an den notleidenden Autobauer Opel denken. Vor etwa zwei Jahrzehnten warb dieser noch mit dem Spruch „Fährt wie auf Schienen.“ Ein falschparkendes Kraftfahrzeug beendete meine Straßenbahnfahrt jäh und zwang mich, meinen Weg zu Fuß fortzusetzen. Auch Opel hatte sich seine Fahrt auf Schienen sicher damals ganz anders vorgestellt.