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Rolf Dieter Brinkmann: Ein Gedicht

Deich

Ein Gedicht

Hier steht ein Gedicht ohne einen Helden.
In diesem Gedicht gibts keine Bäume. Kein Zimmer
zum Hineingehen und Schlafen ist hier in dem
Gedicht. Keine Farbe kannst du in diesem

Gedicht hier sehen. Keine Gefühle sind
in dem Gedicht. Nichts ist in diesem Gedicht
hier zum Anfassen. Es gibt keine Gerüche hier in
diesem Gedicht. Keiner braucht über einen Zaun

oder über eine Mauer in diesem Gedicht zu klettern.
Es gibt in diesem Gedicht hier nichts zu fühlen.
Das Gedicht hier kannst du nicht überziehen.
Es ist nicht aus Gummi. Kein weißer Schatten

ist in dem Gedicht hier. Kein Mensch kommt
hier in diesem Gedicht von einer Reise zurück.
Kein Mensch kommt in diesem Gedicht hier atemlos
die Treppe herauf. Das Gedicht hier macht keine

Versprechungen. In dem Gedicht stirbt auch keiner.
In diesem Gedicht spürst du keinen Hauch. Es gibt
keinen Laut der Freude in dem Gedicht hier. Kein
Mensch ist In. dem Gedicht hier verzweifelt. Hier

in dem Gedicht ist es ganz still. Niemand
klagt in diesem Gedicht. Niemand redet hier
in dem Gedicht. Hier in diesem Gedicht schlagen
sich auch keine Arbeiter wund. Das Gedicht hier

steht einfach nur hier. Es enthält keine Schlüssel
zum Aufschließen von Türen. Es gibt keine Türen
in diesem Gedicht. Das Gedicht hier ist ohne
Musik. Es singt keiner in diesem Gedicht, und

keiner macht hier in diesem Gedicht jemanden
nach. Keiner schreit hier in dem Gedicht, flucht,
fickt, ißt und nimmt ein Rauschmittel. Es gibt in
diesem Gedicht keine bombastische Ausstattung

für dich. Das .Gedicht hier geht nicht, liegt nicht,
schläft nicht, es kennt keinen Tag, es kennt keine
Nacht. Du brauchst hier in diesem Gedicht keine
Rechnungen zu bezahlen. Es gibt keinen Hausbesitzer

in dem Gedicht hier, der die Miete erhöht. Es gibt
keine Firmen in diesem Gedicht. Es gibt in dem
Gedicht keinen Staat Kalifornien. Es gibt kein
Oregano in dem Gedicht. In diesem Gedicht gibts

kein Meer. Du kannst in dem Gedicht hier nicht
schwimmen. Das Gedicht, das hier steht, enthält keine
Wärme, das Gedicht enthält keine Kälte. Das Gedicht
hier ist nicht schwarz, es hat keine Fenster und

kennt keine Angst. Das Gedicht hier zittert
nicht. Das Gedicht hier ist ohne Spiegel. In diesem
Gedicht gibts auch kein Spiegelei. Einen Supermarkt
gibt es hier in diesem Gedicht nicht. Das Gedicht,

das du hier liest, hat keine Titten und keine Fohse,
das Gedicht hier ist völlig körperlos. Keiner stöhnt
hier in dem Gedicht. Das Gedicht blutet nicht, es
verschweigt nichts, das Gedicht hat keine Regel,

das Gedicht ist kein Zitat, für keinen. Hier in
diesem Gedicht findet niemand einen Pfennig,
und hier in diesem Gedicht fährt kein Mensch mit
einem Auto. Keine Reifen quietschen um die Ecke.

In diesem Gedicht lutscht niemand zärtlich an
einem Schwanz. Es gibt hier in dem Gedicht keine
Lampen. Das Gedicht ist kein gelber Schal. Das
Gedicht, auf das du .hier schaust, hustet nicht.

Hier in dem Gedicht kannst du nicht küssen.
Hier in diesem Gedicht wird auch nicht gepißt. Du
kannst mit diesem Gedicht nichts anfangen. Das
Gedicht besteht aus lauter Verneinungen. Die

Verneinungen in diesem Gedicht werden immer mehr.
Hier gibts keinen Kiff in dem Gedicht. In diesem
Gedicht lacht kein Mensch. Das Gedicht kennt keine
Arbeit. Niemand sieht in diesem Gedicht Fernsehen.

Das Gedicht trägt keine Uhr. Das Gedicht ist nicht
zeitlos, Es braucht soviel Zeit, wie du brauchst,
um das Gedicht hier zu lesen. Kein Wasserhahn
tropft in dem Gedicht hier, und keiner verlangt

in dem Gedicht hier nach Zigaretten. Hier das
Gedicht gibt kein Trinkgeld. Keine Toilette ist
hier in dem Gedicht. Es gibt keine Stadt in diesem
Gedicht. Hier in dem Gedicht wäscht keiner sich die

Füße. In die Schule zu gehen, ist hier in dem Gedicht
nicht nötig. In dem Gedicht leckt auch keiner eine
Möhse. Dein Geschlechtsteil richtet sich hier in
dem Gedicht nicht auf. Du kannst hier in dem Gedicht

dich nicht hinsetzen und denken. Das Gedicht hier
ist nicht der Staat. Es ist nicht die Gesellschaft.
Es ist kein Flipperautomat. Das Gedicht hier hat
keinen Hund. Mit diesem Gedicht kann sich keiner

identifizieren. Keine Polizisten fahren in diesem
Gedicht herum und suchen nach einem Bruch. Eine Kuh
liegt hier in diesem Gedicht nicht. Das Gedicht hier
ist nicht gedankenlos. Das Gedicht hier ist nicht

gedankenvoll. In dem Gedicht erscheint auch kein
Sommertag. Es ist niemals Dienstag in diesem Gedicht,
es gibt keinen Mittwoch. in diesem Gedicht, es herrscht
nicht Freitag in diesem Gedicht und kein Donnerstag

fehlt in dem Gedicht hier. Es ist nicht Montag,
Samstag und Sonntag in hier dem Gedicht. Das Gedicht
hier ist nicht die Verneinung von Montag oder
Donnerstag. Das Gedicht hört hier einfach auf.

(Rolf Dieter Brinkmann)

7 Antworten auf „Rolf Dieter Brinkmann: Ein Gedicht“

@bof: Herzlich willkommen im Kreise der Blogger, bof. Vollkanniges SEOgeschreibsel bringt ja nix. So einfach führt kein Weg zum Erfolg. Aber wir können demnächst gern einmal darüber sprechen.

Falls die Frage lautet „Wie bekomme ich mehr Leser?“, so kann die Antwort nur lauten: regelmäßig Gutes schreiben. (Und vielleicht noch einen Empfehlungsbutton für Facebook, Twitter und Google+ einbauen. Etwa den hier: http://letusbuzz.com/tweet-share-like-plusone/). Zack.

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