Neue Nationalgalerie, Berlin-Tiergarten. Das Werk Gerhard Richters wird gezeigt: Panorama. Vor dem Mies-van-Rohe-Bau keine Warteschlange. Doch der Schein trügt. Sie befindet sich im Erdgeschsoss des Gebäudes. Der Ausstellungsbesuch wird zum Happening. Menschen warten geduldig und freuen sich insgeheim darüber. Sie sind Teil einer Kulturbewegung – obwohl sich nur wenig bewegt. Ich warte darauf, dass die Ersten ihre Klappstühle, die sie auch bei Autobahnstaus auf die Schnellstraße zu stellen pflegen, herausholen. Das tut aber niemand. Nach über einer halben Stunde des Anstehens darf man ein Ticket lösen. Zwei Zweitklässler werden von ihren Eltern in die Ausstellung gezerrt, irgendwo entdecken sie den Titel der parallel laufenden Ausstellung Der geteilte Himmel. „Der geteilte Pimmel, der geteilte Pimmel“, rufen sie und amüsieren sich, die dazugehörigen Bildungsbürgerelter blicken indigniert. Richter ist auch Tourismusfaktor. Man merkt es daran, dass der Herr an der Garderobe gut gelaunt ist und freundlich viel Spaß in der Ausstellung wünscht. So etwas hat es früher in Berlin nicht gegeben.
Die Ausstellungsräume sind überfüllt. Ich schwanke zwischen Genervtheit von den vielen Menschen, die mir den mir den Blick auf Kerze, Schädel und Seestück versperren, und Genervtheit von Menschen, die nie niemals den Fuß in ein Museum setzen, aber gegen deren Schließungen klickstark auf Facebook demonstrieren. Malerfürst, ja Malerfürst, denke ich. Was für eine bescheuerte Bezeichnung. Unser Teuerster etc. Aber warum sind wir eigentlich alle hier? Ich wünsche mir Kontemplation, aber ständig werde ich angerempelt, ständig klicken Kameras. Mir bleiben nichts als ein paar Flüchtige Blicke auf die beeindruckende stilistische Vielfalt: Abstraktion und Hyperrealismus, Verwischungen etc. Während ich mich frage, ob es überhaupt Kunst ist, wenn man etwas sieht und es versteht, knufft neben mir eine Rentnerin ihren Mann in die Seite und sagt: „Schon wieder so eine typische Öl-Fotografie.“ Nach einer Stunde muss ich hier raus. Ich möchte in einem Ohrensessel sitzen und im Katalog blättern.
3 Antworten auf „Der geteilte Pimmel“
[…] nahm Frisell zusammen mit einem Streichtrio eine ziemlich irre Platte auf, deren Musik von Maler Gerhard Richter inspiriert war. Ich konnte das nicht hören, niemand konnte das hören. Und dann das ganze […]
Ich hatte Ende letztes Jahr von Richter im Bucerius Kunst Forum in Hamburg einen kleinen Ausschnitt seines Werks gesehen. Teile deine Erlebnisse mit Warteschlangen und Besuchern. Interessant ist auch, das er ausgebildeter Bühnen- und Werbemaler war, bevor er sein Kunststudium anfing. Das merkt man seinen Bildern in der Pinselführung und in ihrer Flächigkeit an, finde ich. Am Besten gefielen mir die Bilder von seiner Frau. Sie leuchteten von innen. Die anderen wirkten auf mich sehr düster. Insgesamt finde ich ihn etwas überbewertet. Es scheint etwas der amerikanische Geschmack zu sein, der auch die hohen Preise diktiert. Aber vielleicht muss man sie in einem leeren stylishen Loft in TriBeCa aufhängen und sie allein auf einem Chair kontemplativ geniessen. Bis dahin werden wir alle wohl doch erstmal nach Berlin in Getümmel müssen…
@Cem: Ach, ob nun überbewertet oder nicht, ich weiß es nicht. Irgendwie stehen alle davor und sagen laut „Boah, kann der malen“, und das stimmt natürlich auch, aber wenn die Preise nicht so hoch wären, wäre das Tamtam nicht da und keiner ginge hin und staunte, aber er könnte natürlich genau so gut malen.
Ich genieße ja immer auch ein bißchen das Drumherum und mit Blick darauf, war die Ausstellung ganz sicher einen Besuch wert. (Außerdem habe ich da sozusagen meinen Abschied aus Berlin „gefeiert“.)
(Und das Bucerius Kunst Forum habe ich in seiner räumlichen Enge immer als Qual empfunden.)