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Zwei kurze Notizen zur Sprache

1. Englisch

Seit Kurzem haben ich eine Vorliebe für amerikanische TV-Serien entwickelt. Viele von ihnen sind erstaunlich gut, sowohl was die Geschichten als auch ihre Umsetzung betrifft. Derzeit schaue ich In Treatment. Ich sehe die Sendungen im englischsprachigen Original ohne Untertitel. Obwohl mein Englisch mehr als nur leicht angerostet ist, verstehe ich so ziemlich alles.

Wenn ich hingegen auf Englisch in ein Gespräch verwickelt werde, stammle ich. Nicht nur, dass mir häufig die passenden Worte fehlen, ich bin zudem recht gehemmt. (Ein paar Gläser Bier sind manchmal hilfreich dagegen.)

Unterschiedliche Gehirnareale sind für das Sprechen und Verstehen verantwortlich, so dass ich zwar ohne große Mühe den größten Teill verstehen, aber relativ wenig sagen (und auch schreiben) kann.

Ich denke darüber nach, ob sich dies in meiner Muttersprache Deutsch möglicherweise genau so verhält.

 

2. Beziehungscode

Finden zwei Menschen größeres Gefallen aneinander, so entwickeln sie häufig einen eigenen Code. Sprachliche Eigenheiten, ungewöhnliche Wörter oder ganze Wendungen fließen ohne explizite Vereinbarung in ihre Konversation ein. Für Außenstehende ist dies in der Regel nicht verständlich oder gar lächerlich.

Einzig eingeweiht in diesen Code ist das eigene Mobiltelefon. Dieses beinhaltet Unterstützungen zur Rechtschreibkorrektür, die in der Lage ist, solche Eigenheiten zu erlernen.

Im Laufe der Zeit verstummt der Gebrauch dieses Codes jedoch wieder. Nur das eigene Handy erinnert einen dann noch an den Sprachgebrauch längst vergangener Zeiten. Dann beginnt man mit einem Umerziehungsprozess, der das Telefon wieder an die Normalsprache gewöhnt. Dies weckt Erinnerungen und ist zudem etwas mühsam.

7 Antworten auf „Zwei kurze Notizen zur Sprache“

@Tillmann: Danke.

Malte hat mir die Serie empfohlen. Er sagte, in den ersten Folgen schläft man ein, dann findet man es plötzlich toll. Und so ist es auch. (Wie ich in der Wikipedia gelesen habe, hat 3sat 2010 die Serie in Doppelfolgen ausgestrahlt. Ich erinnere mich, das auch mal gesehen zu haben und fand es ziemlich öde.)

Insofern kann ich nur sagen: Probiere es. (Halte aber mindestens bis Folge fünf durch, bevor Du die Therapie abbrichst.)

Ich denke, das mit der Fremdsprache hat etwas mit dem aktiven und passiven Wortschatz zu tun – der passive Wortschatz ist oft größer als der aktive. Daher ist es normal, dass man mehr versteht (wenn man liest oder zuhört) als selbst aktiv zu sprechen. Ich (als Lehrer) kann davon ein Lied singen, vor allem in Deutsch. Sprechen und Lesen sind zwei völlig verschiedene Leistungen, die man erbringen muss. Daher gibt es Schüler, die gute Referate halten können, aber grottenschlechte Aufsätze schreiben – und umgekehrt ;).

@tommdidomm: Aber sind Sprechen und Schreiben, das ja beides den aktiven Wortschatz erfordert, einander nicht nahestehender als das verstehen? Und wie kommt es zu den Hemmungen? (Mit ein bißchen Bier, was ja für den Unterricht in der Schule kein probater Katalysator ist, um die Hemmungen zu mindern, kann man sich plötzlich relativ gut verständlich machen und es fallen einem auch Worte ein, auf die man sonst gar nicht kommt.)

Ein Spaßfakt am Rande: Manchmal träume ich in englischer Sprache. Auch da finden Konversationen statt, die wach und nüchtern undenkbar wären.

Hemmungen sind einfach ein „persönliches Problem“ – ich war schon mit Busfahrern in Frankreich, die konnten weder Englisch noch Französisch und konnten sich wunderbar verständigen mit frz. Busfahrern – Hemmungen hatten die selten.
Ich selbst habe mal in London mit einem Mittfünfziger Anwalt gesprochen, zwei Stunden lang – und hatte selbst in der Schule immer 5er in Englisch. Aber mir war bewusst, dass ich quasi über kaum mehr als 5 verschiedene englische Verben verfügte, die ich benutzte – als Deutschlehrer ist das sehr unangenehm, wenn man nicht das Gefühl hat, sich adäquat auszudrücken. Das, was es einfach machte, war aber der Anwalt, der sehr geduldig und freundlich war. Ihn selbst habe ich gut verstanden, weil ich mir eben auch aus den Zusammenhängen der Sätze einiges rekonstruieren konnte – meine Lacher kamen halt immer etwas verzögert, weil ich mir den Sinn erst am Ende des Satzes zusammen reimte. Und so funktioniert das nicht nur bei mir :D.
Und wie gesagt: Sprechen und Schreiben sind verschiedene Dinge. Im Sprechen konstruiert sich der Sinn ja sozusagen während der Tätigkeit, während man beim Schreiben oft schon ein paar Worte voraus ist. Außerdem läuft Schreiben auch über das Sehen (der Wörter und Sätze) ab – daher unterschiedliche Hirnleistungen.
Das mit den Träumen kenne ich auch – nach zwei Tagen London ging es mir ähnlich.
Und PS: Ich frage oft türkische oder andersländrige Schüler, wie sie träumen. Und sie sagen oft, dass das durcheinander geht – aber eigentlich eben in der Muttersprache. Ebenso frage ich manchmal – wenn ich mutig bin, weil ich ungern fremde Leute anspreche – Menschen türkischer Herkunft, wenn ich merke, dass sie im Gespräch ohne Übergang vom Türkischen ins Deutsche wechseln oder umgekehrt. Manche Sachen, sagen sie dann manchmal, können sie im Deutschen besser ausdrücken und andersrum. Es läuft aber selten bewusst ab.
PPS: Und Alkohol in der Schule – ja, aber bitte im Lehrerzimmer :).
Aber ich bin Laie und das sind eher Erfahrungen und gesundes Halbwissen, was ich hier äußere. ;)

Beim Mobiltelefon war mir das noch gar nicht aufgefallen, ich hab es nur immer als Verlust erlebt, dass diese Worte (und Geräusche) tatsächlich verloren gehen bzw. im Sprachschatz liegen und nicht mehr verwandt werden können.

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