Klorolle

Klorolle

Die Älteren werden sich erinnern. Es gab eine Zeit, da war Klopapier in Deutschland sehr knapp. Noch bevor die Supermärkte morgens ihre Türen öffneten bildeten sich lange Schlangen, um an die begehrte Ware zu kommen. Vor den Regalen wurde es schon mal ruppig, wenn nur noch wenige Einheiten vorhanden waren. Die Supermärkte begrenzten gar die maximalen Abgabemengen pro Person. Vermutlich gab es für kurze Zeit sogar einen florierenden Schwarzmarkt. Das war im Frühling 2020, kurz nach Ausbruch der ersten Corona-Welle.

Vor einigen Wochen nun entdeckte ich an einer sehr frequentierten Hauptstraße auf dem Gehweg eine einzelne ausgesetzte Klorolle. Sie lag da. Einfach so. Vor ein paar Monaten wäre das noch undenkbar gewesen. Die Leute hätten sich darauf gestürzt, womöglich darum geprügelt, zumindest aber heftig gestritten. Nur um sicher zu stellen, sich nach dem großen Geschäft auch weiter gepflegt den Hintern abwischen zu können. Heute interessiert sich niemand mehr für die ausgesetzte Klorolle. Es gibt ja überall genug.

Mit dem Impfstoff war es anfangs genau so. Zunächst war er knapp. Mittlerweile verrichten die einst vor den Amüsierlokalen der Rotlichtviertel tätigen Koberer ihren Dienst vor den Impfzentren, um Unentschlossene zu ihrer Erstimpfung zu animieren. Das ist gut, sie verstehen ihren Beruf. Und vor den Amüsierlokalen herrscht ja derzeit eher noch Ruhe. Ich wünsche mir, dass sie überzeugend sind. Warum auch nicht, schließlich überwiegt der Nutzen einer Impfung die Risiken bei Weitem. Im Prinzip wie bei Klopapier. Und von Klopapierverweigerern hat schließlich noch niemand gehört. 

Ich hoffe, dass die Koberer nach Schließung der Impfzentren bald wieder vor ihren angestammten Lokalen wirken können. 

Chemtrails

Ob ich Englisch könne, fragt mich der Mann auf der Straße, ich versuche es immer wieder, so ich. Ich erwarte, dass der Mann sich nach einem Weg erkundigt, stattdessen fragt er, ob ich wisse, warum es jetzt in Altona plötzlich zehn Grad kälter als noch am Tag zuvor sei. Ich zucke mit den Schultern, er schaut mich an und sagt: Chemtrails. Ob ich denn wisse, was das sei, nur fällt mir in diesem Moment gerade der englische Begriff für Verschwörungstheorie nicht ein und ich sage: Bullshit. Daraufhin holt er zu einem Vortrag über das absichtliche Ausbringen von Chemikalien durch Flugzeuge aus, den ich glücklicherweise nach sehr kurzer Zeit unterbinden kann. Ich lächle und wünsche dem Mann alles Gute, er lächelt zurück und schüttelt mir die Hand. Das gesuchte Wort heißt conspiracy theory.

Zwei Arten Hund

Struppi

Struppi

Flocki

Struppi

Flocki

Struppi

Für Mirjam und Lars.

„Es gibt nur zwei Arten von Hunden“, sagt er, so sie. „Die einen sind Struppis – und die anderen sind Flockis.“ Im Prinzip einleuchtend. Sind Struppis anhand von Äußerlichkeiten leicht auszumachen, so fällt die Bestimmung von Flockis ungleich schwerer. Nach dem Ausschlussprinzip sind alle Hunde, die keine Struppis sind, Flockis. Aber wie jede einfache Erklärung kann dieses Zwei-Hunde-Prinzip nicht die ganze Komplexität der Welt erfassen: Denn was für ein Hund ist eigentlich ein Schnuffi?

Zwei kurze Notizen zur Sprache

1. Englisch

Seit Kurzem haben ich eine Vorliebe für amerikanische TV-Serien entwickelt. Viele von ihnen sind erstaunlich gut, sowohl was die Geschichten als auch ihre Umsetzung betrifft. Derzeit schaue ich In Treatment. Ich sehe die Sendungen im englischsprachigen Original ohne Untertitel. Obwohl mein Englisch mehr als nur leicht angerostet ist, verstehe ich so ziemlich alles.

Wenn ich hingegen auf Englisch in ein Gespräch verwickelt werde, stammle ich. Nicht nur, dass mir häufig die passenden Worte fehlen, ich bin zudem recht gehemmt. (Ein paar Gläser Bier sind manchmal hilfreich dagegen.)

Unterschiedliche Gehirnareale sind für das Sprechen und Verstehen verantwortlich, so dass ich zwar ohne große Mühe den größten Teill verstehen, aber relativ wenig sagen (und auch schreiben) kann.

Ich denke darüber nach, ob sich dies in meiner Muttersprache Deutsch möglicherweise genau so verhält.

 

2. Beziehungscode

Finden zwei Menschen größeres Gefallen aneinander, so entwickeln sie häufig einen eigenen Code. Sprachliche Eigenheiten, ungewöhnliche Wörter oder ganze Wendungen fließen ohne explizite Vereinbarung in ihre Konversation ein. Für Außenstehende ist dies in der Regel nicht verständlich oder gar lächerlich.

Einzig eingeweiht in diesen Code ist das eigene Mobiltelefon. Dieses beinhaltet Unterstützungen zur Rechtschreibkorrektür, die in der Lage ist, solche Eigenheiten zu erlernen.

Im Laufe der Zeit verstummt der Gebrauch dieses Codes jedoch wieder. Nur das eigene Handy erinnert einen dann noch an den Sprachgebrauch längst vergangener Zeiten. Dann beginnt man mit einem Umerziehungsprozess, der das Telefon wieder an die Normalsprache gewöhnt. Dies weckt Erinnerungen und ist zudem etwas mühsam.