Laufmaschinen

Berlin Fashion Week Catwalk

Mechanisch stakseln sie über den Laufsteg, starr ihr Blick. „Du darfst auf keinen Fall lächeln“, hat man ihnen gesagt, und eisern halten sie sich daran. Lange Schritte, konzentriert setzen sie einen Fuß vor den anderen, während sie mit den Augen einen imaginären Punkt am Ende des Raumes fixieren. Manchmal, wenn man ganz aufmerksam ist, kann man ein kleines Wanken beobachten, wenn sie in ihren schlecht passenden und viel zu hohen Schuhen hin und her rutschen. Für den Bruchteil einer Sekunden haben die Laufmaschinen dann etwas Menschliches.

Aus den Lautsprechern dröhnt elektronische Musik, die wummernden Bässe drohen die viel zu dünnen Mädchen wegzufegen. Kleider werfen keine Falten und Marcel Duchamps Flaschentrockner scheint das Idealbild des weiblichen Modeweltkörpers zu sein: ein Gerippe mit vorstehenden Knochen. Eine naturgegebene knabenhafte Frauenbrust ist keine Tragödie, die mit Silikonkissen bekämpft werden muss – aber eben auch kein Schönheitsideal, das mittels Wattediät heruntergehungert werden sollte. Ob manch ausgemergelter Erscheinung muss ich meinen Blick vom Laufsteg abwenden. Die Frauen seien für Models normal dünn, so meine fachkundige Begleitung. Die Normen müssen sich ändern, denke ich, und möchte die Models füttern. In der kommenden Saison sehen wir auf dem Laufsteg Frauen mit Hüften und Brüsten.

Sprudel

An einem lauen Sommerabend sitzen wir zusammen im Café und bestellen eine Flasche Wein und eine Flasche Wasser. Während beim Wein die größte Einigkeit besteht – wir trinken Weißwein, kein ausgezeichnetes Spitzenprodukt, aber immerhin den teuersten, der auf der Karte steht – diskutieren wir über das Wasser und bestellen schließlich, weil sie es so möchte, Wasser mit Kohlensäure. Leider schmeckt der Wein nicht, wir können es nicht genau beschreiben, aber er ist zu warm und verfügt über eine muffige Beinote. Hätten wir nur ein Glas des schlechten Weines klaglos heruntergespült, so ist uns dies mit einer ganzen Flasche unmöglich, und so veranlasst sie mit ihrem ganzen Charme, uns eine neue Flasche bringen zu lassen. Abgesehen davon, dass der Wein zu warm sei, hat er einen unschönen Geschmack, so sie, die im Gegensatz zu mir über einen ganz ausgezeichneten Geschmackssinn verfügt, zu der etwas ungläubigen Kellnerin. Wir hätten schon eine Menge Grauburgunder getrunken, aber keiner war so unzulänglich wie dieser, woraufhin uns die Bedienung eine neue Flasche an den Tisch bringt. Auch dieser Tropfen ist wahrlich kein Katapult in den Weinhimmel, aber immerhin wohltemperiert und trinkbar. Und so trinken wir und reden über dieses und jenes, wie man es zu tun pflegt, wenn man bei einer Flasche Wein beieinander sitzt. Ist mir nach diesem Abend weniger der Wein erinnerlich, so möchte ich, nachdem ich Wasser mit Kohlensäure jahrelang mit der größten Verachtung gestraft habe, seitdem immerzu kühles Sprudelwasser trinken.

Fußball

Fußballplatz

Jetzt, da alles vorbei ist, ist es naturgemäß auch egal, dass die Mannschaft, die zwar die unsere, aber nicht die meine ist, ihrer Favoritenrolle nicht gerecht wurde. Wer wie ich lediglich dem sozialen Druck nachgab, um in geselliger Runde das eine oder andere Fußballspiel widerwillig zu verfolgen, ist erfreut, wenn jetzt wieder bewegendere Dinge wie Teilchenphysik in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gelangen.

Die erste Halbzeit Deutschland gegen irgendeine andere Mannschaft im Vorgarten des Spätis in Gesellschaft von schreienden Kleinkindern und Hooligans, die zweite Halbzeit in einem bayerisch anmutenden Wirtshaus bei Schweinshaxe und Semmelknödeln genossen. Während des Spiels mehrfach aus Langeweile das Mobiltelefon betätigt, bis sich der Wirt vor die Leinwand stellte, um zu erläutern, dass mein Mobiltelefon für die gelegentlichen Bildstörungen verantwortlich sei. Auch an diesem Abend keine neuen Freunde gewonnen, aber ich habe ja auch schon genug. Dann irgendwann noch das Endspiel gesehen, in einer fast leeren Bar, in der es immerhin ein Bier und einen Schnaps auf’s Haus gab. Das war mein Turnier.

Dieser Fußballsport wäre um einiges attraktiver, übertrügen die Fernsehsender lediglich eine Management Summary. 90 Prozent der Zeit wird unmotiviert einem Ball hinterhergelaufen und es passiert nichts, so etwas will doch niemand sehen. (Und ich schon gar nicht.) Einfach nur die Tore zu zeigen, falls welche fallen, wäre mehr als ausreichend. Alternativ sollte erwogen werden, mit einem Elfmeterschießen zu beginnen. Bei gleicher Anzahl von Toren könnte daraufhin als Verlängerung das reguläre Spiel, 2 x 45 Minuten, erfolgen. Um das Spiel für die Zuschauer interessanter zu gestalten, gäbe man einen zweiten Ball ins Spiel. Natürlich ersetzte man Elfmeter gegen eine Partie Blitzschach, um die Spieler auch intellektuell angemessen zu fordern. So wäre dieses Spiel zu retten. Dennoch bin ich froh, dass es für mich in den kommenden zwei Jahren keine Standardsituationen mehr geben wird.