Otto

Otto
Otto

Das ist Otto aus meiner Nachbarschaft. Eigentlich ist er St-Pauli-Fan, seitdem ihm ein Bekannter ein T-Shirt dieses Fußballclubs geschenkt hat. Früher war er für den HSV, aber die sind ihm zu arrogant geworden, sagt er. Voller Vorfreude trägt Otto schon seit Monaten historische Weltmeisterschafts-T-Shirts, die allesamt aus einer Zeit stammen, in der einen die FIFA noch nicht nach Guantanamo verfrachtet hat, wenn man ein Stück Oberbekleidung mit dem Schriftzug „Weltmeisterschaft“ bedruckt hat, ohne dafür eine Lizenzgebühr in Höhe der Baukosten der Elbphilharmonie an den Weltfußballverband entrichtet zu haben. Bis zum Ausscheiden der Griechischen Mannschaft war Otto auch ein bißchen für Griechenland, weil er doch so gern beim griechischen Imbiss um die Ecke Gyros isst. Außerdem gehe es den Griechen gerade ohnehin nicht so gut, und deswegen können sie jede Unterstützung brauchen, so er. Das leuchtet ein, denn Fußball und Griechenland und Otto ist ja schon historisch so etwas wie eine Dreiheit. Jetzt hat Otto aber wieder beide Daumen frei – und drückt sie für das deutsche Team. Ist ja klar.

Fußball

Fußballplatz

Jetzt, da alles vorbei ist, ist es naturgemäß auch egal, dass die Mannschaft, die zwar die unsere, aber nicht die meine ist, ihrer Favoritenrolle nicht gerecht wurde. Wer wie ich lediglich dem sozialen Druck nachgab, um in geselliger Runde das eine oder andere Fußballspiel widerwillig zu verfolgen, ist erfreut, wenn jetzt wieder bewegendere Dinge wie Teilchenphysik in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gelangen.

Die erste Halbzeit Deutschland gegen irgendeine andere Mannschaft im Vorgarten des Spätis in Gesellschaft von schreienden Kleinkindern und Hooligans, die zweite Halbzeit in einem bayerisch anmutenden Wirtshaus bei Schweinshaxe und Semmelknödeln genossen. Während des Spiels mehrfach aus Langeweile das Mobiltelefon betätigt, bis sich der Wirt vor die Leinwand stellte, um zu erläutern, dass mein Mobiltelefon für die gelegentlichen Bildstörungen verantwortlich sei. Auch an diesem Abend keine neuen Freunde gewonnen, aber ich habe ja auch schon genug. Dann irgendwann noch das Endspiel gesehen, in einer fast leeren Bar, in der es immerhin ein Bier und einen Schnaps auf’s Haus gab. Das war mein Turnier.

Dieser Fußballsport wäre um einiges attraktiver, übertrügen die Fernsehsender lediglich eine Management Summary. 90 Prozent der Zeit wird unmotiviert einem Ball hinterhergelaufen und es passiert nichts, so etwas will doch niemand sehen. (Und ich schon gar nicht.) Einfach nur die Tore zu zeigen, falls welche fallen, wäre mehr als ausreichend. Alternativ sollte erwogen werden, mit einem Elfmeterschießen zu beginnen. Bei gleicher Anzahl von Toren könnte daraufhin als Verlängerung das reguläre Spiel, 2 x 45 Minuten, erfolgen. Um das Spiel für die Zuschauer interessanter zu gestalten, gäbe man einen zweiten Ball ins Spiel. Natürlich ersetzte man Elfmeter gegen eine Partie Blitzschach, um die Spieler auch intellektuell angemessen zu fordern. So wäre dieses Spiel zu retten. Dennoch bin ich froh, dass es für mich in den kommenden zwei Jahren keine Standardsituationen mehr geben wird.

Schwalbe

Das Sammelalbum aus dem letzten Jahr nicht voll bekommen und trotzdem schon wieder eine Fußball-WM im Lande. Die Stimmung ist eine ganz andere als damals. Wer nicht aufmerksam genug ist, bemerkt gar nicht, dass ein Turnier stattfindet: Keine Deutschland-Flaggen an Autotüren, keine Vuvuzelas.

Und ehe man sich versieht, sind die Schwalben weitergezogen.

Weizen-Waldi vs. Lindenstraße

Gerade eben war ich dem Fußballzirkus gegenüber noch versöhnlich gestimmt – und nun das. Wann hat man so etwas schon erlebt? Und ich rede nicht vom 4:1-Sieg der Deutschen Nationalmannschaft gegen England. Ich rede davon, dass die ARD einfach die Lindenstraße ausfallen lässt, um Weizen-Waldi mit einem Box-Trainer und einem Schlagersänger Belanglosigkeiten über Fußball sprechen zu lassen. Als hätte es in den letzten und noch folgenden Tagen nicht noch ausreichend Gelegenheit dafür gehabt?

Das hat es in fünfundzwanzig Jahren Seriengeschichte nicht einmal bei Bundestagswahlen gegeben – und das war erst das Achtelfinale. Was soll passieren, wenn die Deutschland bis zum Endspiel vorrückt? Wird dann Anne Will ausfallen, die Tagesschau oder wird man gar Günther Jauch wieder absagen? So nicht, liebe ARD, dafür zahlen wir keine Gebühren!