Mit Spätzle, ohne Goldene Kamera

Spätzle
Leckeres Essen muss nicht fotogen sein

Oft genug ist es in diesem Leben ja so, dass man am liebsten gerade woanders wäre, als man gerade ist. Genau jetzt, an diesem Samstagabend bin ich jedoch am liebsten da, wo ich gerade bin.

Seit ich wieder regelmäßig dieses Blog befülle, hatte ich verschiedentlich Kontakt mit einer der führenden Qualitätstageszeitungen dieses Landes. Ob ich denn nicht einmal etwas veröffentlich wolle? Ja, das würde ich schon wollen. Ja, was denn, frug die Dame von der Medienseite und die von mir spornstreichs vorgeschlagene Lindenstraßen-Kolumne erschien der Redakteurin mit Blick auf ihre Kollegen als kein allzu aussichtsreiches Unterfangen. Also vorerst keine Kolumne von mir, obwohl die von mir noch immer regelmäßig in der Mediathek gebingewatchte Lindenstraße auch nach 1.618 Folgen im 32. Jahr ihrer Laufzeit sicher noch das eine oder andere Thema hergäbe.

Ob ich denn nicht zur Verleihung der Goldenen Kamera gehen wolle, so einige Zeit später die Anfrage aus der Redaktion. Ich müsse dafür auch kein regelmäßiger Glotzer sein, die Relevanz des Preises schätze man ohnehin eher im Bereich der Abrundung ein. Ich hätte also mit meiner Berichterstattung auch nichts mehr kaputt machen können. Nach ein paar Tagen des innerlichen Ringens mit mir selbst freundete ich mich zunehmend mit dem Gedanken an, dieses Spektakel beobachtend zu begleiten. Zu dem Zeitpunkt, als ich den Entschluss gefasst hatte, das Ding zu machen, teilte mir die Redaktion jedoch mit, dass „die Oberen“ sich entschieden hätten, mangels Relevanz überhaupt nicht zu berichten.

Und so kommt es, dass ich an diesem Abend nicht in einem schlecht sitzendem Anzug auf einem unbequemen Stuhl peinlich berührt miterleben muss, wie in einem lebensgroßen Briefumschlag steckende Laudatoren afrikanische Stammestänze nachahmen. Mir bleibt erspart, dass zwei Fernsehmoderatoren, die ihren Zenit mittlerweile genau so überschritten haben, wie die Goldene Kamera selbst, einen falschen Hollywoodschauspieler eingeschleust haben, der ihnen den irrelevantesten aller Preise widmet. Und ich bleibe auch verschont von der Nachricht, dass der beste Nachwuchsschauspieler einen Mittelklassegeländewagen aus südeuropäischer Produktion gewinnt. Zumindest in Echtzeit, denn mit etwas Verzögerung ist es auf Twitter und in den Medienspalten unumgänglich, von der Berichterstattung über die ridikülste aller Galas verschont zu bleiben.

Stattdessen sitze ich im ganz wunderbaren Speiselokal Zum Spätzle und genieße eine riesige Portion allerbester Käsespätzle und ein kühles Tannenzäpfle in angenehmer Begleitung. Die Goldene Kamera ist ganz weit weg und das ist auch besser so. In diesem Leben werde ich vermutlich kein Food-Fotograf mehr werden, vielleicht darf ich irgendwann tatsächlich noch einen Text in der renommierten Zeitung veröffentlichen und irgendwo geht gerade immer irgendwer über irgendeinen einen roten Teppich. Aber all das ist ziemlich egal, wenn es Kässpätzle gibt.

Gesammelte Statusmeldungen

Rührei mit Brötchen

Rührei: Kann ich.
Brötchen: Werden besser.
Pudding: Zucker vergessen. (Schon wieder.)
Tatort: Wiederholung.
Bier: Immer gut.

Dreh

Den Termin erst absagen, dann aber doch stattfinden lassen und keine Drehgenehmigung für den privatisierten Park erhalten. Statt trister Kulisse und Regen plötzlich irgendwo zwischen Touristen und Streetart bei gleißendem Sonnenlicht der schlappen Batterien des Aufzeichnugsgerätes wegen immer und immer wieder dieselben Sätze in ein Mikrofon sprechen. Für Schnittbilder so tun, als täte man gerade etwas Bedeutendes, und anschließend schriftlich die Rechte an dem entstandenen Bild- und Tonmaterial bis in alle Ewigkeit abtreten. Zweieinhalb Stunden erfundene Aktivität für knapp zweieinhalb Minuten Ruhm in einem Spartenkanal, den niemand sieht.

Alles immer flacher und in 3D

Internationale Funkausstellung Berlin, ich streife über das endlose Messegelände. Die Besucher reißen sich um überdimensionierte Tragetaschen der Aussteller, in denen sich zumeist nichts weiter befindet als ein Handzettel in der Größe DIN A5 und ein Werbekugelschreiber. Beutelratten. Die Currywurst kostet 5 Euro und schmeckt nach Glutamat. Das Schlimmste an Messen ist die Verpflegung. Es sei denn, man hat einen Presse- oder Fachbesucherausweis. Dann darf man schon mal bei einem Hersteller minderwertiger Plastikhardware backstage eine Brezel essen und ein Weizenbier auf’s Haus genießen. Dafür muss man aber nicht nur seine Daten am Empfangsschalter hinterlassen, sondern auch an einer Produktpräsentation teilnehmen. Ich bin im Besitz eines dafür erforderlichen Ausweises, lasse mir aber ungern stundenlang die Vorzüge einer neuen Telefonhülle erklären und so schlimm ist die überteuerte Currywurst nun auch wieder nicht.

Wohin man blickt: Weißwaren. Die meisten von ihnen sind ganz gewöhnliche Waschmaschinen oder Kühlschränke – nicht einmal  über WLAN verfügen sie. Des weiteren liegen Fernseher im Trend: wie jedes Jahr werden sie immer flacher (genau wie das Programm, das sie zeigen) und jetzt können sie sogar 3D. An einem Stand für Televisionsgeräte tanzen magere Modelle ungelenke Tänze. Dabei werden sie gefilmt und das Livebild wird auf einen dieser modernen Fernseher übertragen. Messebesucher stehen davor und tragen alberne Brillen während sie in die Geräte starren und klagen über Kopfschmerzen. Wenn es nach den Ausstellern ginge, wird es bald nur noch 3D-Bilder geben. Also genau wie vor der Erfindung des Fernsehens, nur mit Kopfschmerzen.

Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt belegt eine eigene, sehr große Halle. Beim Betreten spürt man sofort, wie hier Rundfunkgebühren verpuffen. Hinter einem langen Tisch sitzen drei Junge Menschen, die Autogramme geben. In unregelmäßigen Abständen umarmen sie sich und lächeln in ein Blitzlichtgewitter. Sie sind beliebter als die übergroße Sendung-mit-der-Maus-Maus, die niemand fotografieren will. Vermutlich sind sie sogar ein bißchen bekannt – aus Film, Funk und Fernsehen, wie man früher so schön sagte. Ich kenne sie nicht.